Waffen für Iran und Irak „Neutralität“ bleibt gewahrt

„Die Bundesregierung hat, wie es ihrer Rüstungsexportpolitik seit eh und je entspricht, dafür Sorge getragen, daß aus unserem Lande in die kriegführenden Länder keine Waffen exportiert werden.“ Die Erklärung von Bundesaußenminister Genscher anläßlich einer Aktuellen Stunde des Bundestages 1984 über Waffenlieferungen in die Golfregion war damals so falsch wie heute. Sorge hat die Bundesregierung nur dafür getragen, daß über die bundesdeutsche Teilhabe am Geschäft mit dem Tod in dieser Region möglichst wenig bekannt wird. Selbst in den Ausschüssen des Bundestages werden keine Zahlen dazu vorgelegt. Der Hauptgrund dafür ist, daß etliche Rüstungsfirmen aus der BRD zusammen mit französischen Partnern schon seit langem Kooperationsgesellschaften gegründet haben, deren Exporte gemäß einer Vereinbarung aus der Zeit der SPD/FDP–Koalition über die französische Adresse laufen. Wenn Frankreich heute neben der Sowjetunion als der größte Waffenlieferant des Irak gilt, dann ist dies eigentlich nur die halbe Wahrheit: denn mit ihrer 50prozentigen Beteiligung an der Produktion des Kampfflugzeuges Alpha–Jet, der Panzerabwehrraketen Hot und Milan, des Flugabwehrraketensystems Roland, die auch an den Irak verkauft werden, belasten deutsche Firmen wie MBB und Dornier die französische Exportstatistik und halten die der BRD sauberer, als sie in Wirklichkeit ist. Daß solch offenkundige Manipulationen in der Politik der Bundesrepublik gemeinhin als normal gelten, erleichtert Genscher den Umgang mit der Wahrheit. Dennoch läuft auch einiges ganz direkt: vor allem die Ausrüstung beider kriegführenden Staaten Iran und Irak mit schweren Transportfahrzeugen, Sattelzugmaschinen und Geländewagen. Nur: Das sind laut Definition der Bundesregierung „zivile Güter“, für die es keiner Exportgenehmigung nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz und des Außenwirtschaftsgesetzes bedarf. Dabei ist unstrit tig und durch viele Journalistenberichte belegt, daß mit den LKWs von Daimler–Benz und Magirus– Deutz ebenso wie mit den IFA– Fabrikaten aus der DDR von beiden Seiten der Front Soldaten und schwere Waffen in die Schlacht rollen. In den ersten fünf Kriegsjahren hatten die Fahrzeuglieferungen aus der BRD einen Umfang von 6,34 Mrd. DM gegenüber dem Irak und 6,54 Mrd. DM gegenüber dem Iran angenommen - ein Zahlensymbol dafür, wie „neutral“ das BRD–Kapital auf beiden Seiten Gewinne macht. Freilich sind in diesen Zahlen auch echt zivile Fahrzeuge versteckt. Keinem zivilen Zweck konnten auch die 1.600 Tonnen Sprengstoff und Munition dienen, die zwischen 1984 und 1986 über Bremerhaven an den Iran geliefert wurden. Hinter diesen Lieferungen steckte das schwedisch–niederländisch–bundesdeutsche Firmentriumvirat Bofors, Muiden Chemie und Dynamit Nobel. Ein Mitarbeiter der BUKO–Kampagne „Stoppt den Rüstungsexport“ stellte deswegen im Januar dieses Jahres Strafantrag gegen die beteiligte deutsche Firma, aber die Bremerhavener Staatsanwaltschaft konnte sich bis heute nicht einmal dazu durchringen, Ermittlungen einzuleiten. Umgekehrt reagierte die Justiz jedoch sehr schnell: Der „Gesellschaft für bedrohte Völker“ wurde gerichtlich untersagt, den Vorwurf zu wiederholen, daß die in Hessen ansässige Kolb GmbH durch die Lieferung von Apparaturen zur Pestizidherstellung den Aufbau einer irakischen Giftgas–Produktion mit ermöglicht habe. Die New York Times und andere Zeitungen hatten diesen Vorwurf bereits drei Jahre zuvor erhoben - als Quelle hatten sie die CIA genannt. Im Iran–Waffengeschäft tätig ist auch die bundeseigene Fritz Werner GmbH, zu Schah–Zeiten bevorzugter Lieferant von Handschellen, Schlagstöcken und ganzen Waffen– und Munitionsfabriken. Nach vorübergehendem Abbruch 1979 hat sie ihre Verbindungen in den Iran wieder reaktiviert. Einige hundert Techniker und Ingenieure setzten die stillgelegten iranischen Rüstungsstätten mit Ersatzmaterial aus der BRD wieder in Betrieb. Daß die Bundesregierung auf mehrere Anfragen darüber mit Unkenntnis oder gar mit Bestreiten reagierte, wäre eigentlich mal ein Grund für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses: Immerhin ist der Bundesfinanzminister Verwaltungsratsvorsitzender der Kreditanstalt für Wiederaufbau, die die Fritz Werner GmbH über ein paar Zwischenstufen kontrolliert. Jürgen Reents