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Frankreichs Skandale platzen nur ganz leise

■ Die Affäre um die französischen Waffenlieferungen an den Iran zur Zeit der sozialistischen Regierung Mitterrand verläuft mangels öffentlicher Empörung im Sande / Das stillschweigende Einverständnis der Herrschenden über Waffenlieferungen bleibt tabu

Aus Paris Georg Blume

Über Wochen regen wir uns über den Fall Barschel auf. Die Flick– Affäre währte Jahre. Das Pariser Irangate, so scheint es nun, beschäftigte die Franzosen genau eine Woche. Vor ein paar Tagen noch, am Mittwoch und Donnerstag, schlugen die Wellen am Seineufer hoch. Der Elysee–Palast, die Statue Mitterrands, so wähnten auch die sonst besonnenen Beobachter, beginne zu wackeln. Die Vorwürfe waren in der Tat nicht mehr abzuwehren. Frankreich hat zwischen 1984 und 1986 Waffen an den Iran geliefert, obwohl die Linksregierung dies offiziell untersagt hatte. Einige Sozialisten und möglicherweise auch ihre Parteikasse haben von dem Geschäft finanziell profitiert. So steht es schwarz auf weiß in dem Bericht des Verteidigungsministeriums, der diese Woche veröffentlicht wurde und den Skandal heraufbeschwor. Der Präsident, so steht es dort weiter hin, hat von dem Waffenhandel gewußt. Was braucht es mehr, um selbst das ehrwürdigste Staatsoberhaupt in Verruf zu bringen? Frankreich bleibt die Antwort schuldig. Staatspräsident Mitterrand jedenfalls schwieg, und schweigt bis heute. Eine offenbar kluge Taktik, die sich bereits bei der Greenpeace–Affäre bestens bewährte. Inzwischen laufen die journalistischen und parteipolitischen Mühlen leer. Der wirkliche Skandal, die Waffenlieferungen an den Iran, war bereits im März 1986 von einer Provinzzeitung aus der Bretagne glaubwürdig aufgedeckt worden. Nur klagte damals niemand die Regierung oder den Präsidenten in der Öffentlichkeit an. Damit aber fehlte den französischern Kollegen in dieser Woche die natürliche Empörung, die die Enthüllung eines Skandals auslösen kann, und die den Skandal in der Öffentlichkeit erst zum Skandal macht. Die parteipolitische Ausbeutung der Affäre im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen ist ebenfalls begrenzt. Vor zwei Jahren scheiterte die Aufklärung der französischen Greenpeace–Verbrechen am parteiübergreifenden atomaren Konsens. Heute stößt das Pariser Irangate an das stillschweigende Einverständnis der großen Politik über die Geheimhaltung der allgemein fragwürdigen französischen Waffenexportpraxis. Nicht anders ist die Rolle von Verteidigungsminister Andre Giraud zu verstehen, der bis zuletzt die Veröffentlichung des Berichtes aus seinem Ministerium zu verhindern suchte. Giraud mußte dem Druck der Chirac–Regierung nachgeben. Premierminister Chirac hatte sich die Großaufmachung des Skandals für den Vorwahlkampf aufgehoben, um zu entscheidender Zeit die moralische Autorität des Konkurrenten Mitterrand schwächen zu können. Aber in Sachen Iran haben Mitterrand und Chirac beide Dreck am Stecken. In dieser Woche machten Mitarbeiter des Präsi denten klar, wenn die Regierung Mitterrand weiterhin aufs Korn nehme, sei man bereit, zurückzuschießen. Der Elysee–Palast drohte in der Tat mit Enthüllungen über das Verhalten der rechten Opposition noch vor dem Regierungswechsel im Zusammenhang mit den damaligen Verhandlungen zwischen Paris und Teheran über die französischen Geiseln im Libanon. Die Verhandlungen, die „vor dem erfolgreichen Abschluß standen“, wären seinerzeit durch die Opposition entscheidend behindert worden. Ähnliches hatte bereits in diesem Sommer der persische Ministerpräsident behauptet, doch wollte ihm in Paris auf dem Höhepunkt der französisch– iranischen Botschaftskrise niemand glauben. Chirac konnte problemlos dementieren. Das würde ihm heute, käme eine offene Anschuldigung von Seiten Mitterrands, nicht so leicht fallen. Chirac steckte am Freitag zurück. „Er wolle die Polemik nicht nähren“, sagte der Premierminister, und sein Regierungssprecher verkündete: „Die Regierung hat nicht die Absicht, den Präsidenten der Republik in dieser Affäre zur Verantwortung zu ziehen.“ Chirac hatte Angst um die eigene Stellung im wackligen Kohabitationsgefüge bekommen. In der Zwangsvereinigung von Premierminister und Präsident ist es schnell passiert, daß - fällt der eine dem anderen in den Rücken - beide fallen. Im Moment profitiert nur einer: der ehemalige Premierminister Raymond Barre, Chiracs rechter Konkurrent um die Präsidentschaft. Er steht als einziger Kandidat außerhalb aller Affären und Kohabitationskrisen und versteht es bestens, aus der Politikverdrossenheit der Franzosen Gewinn zu schöpfen. Politikverdrossenheit und Pariser Machtkonsens geben jedoch allein nicht die Erklärung, warum das französische Irangate keine Dramatik annahm. Nach wie vor verlangen Franzosen von ihrer Politik nicht in erster Linie Moral, sondern ein gutes Schauspiel. Und das fiel aus.

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