Die Bundes–CDU tagte vor sich hin

■ Startbahn–Schüsse kaum erwähnt / Geißler kritisierte als einziger Kiel–Affäre / Blüm erntete viel Beifall

Aus Bonn Oliver Tolmein

Mit deutlich weniger Stimmen als bei seiner letzten Wahl wurde gestern Helmut Kohl auf dem Bundesparteitag der CDU in seinem Amt als Parteivorsitzender bestätigt. Kohl erhielt diesmal 579 Ja– und 82 Nein–Stimmen. 1985 konnte er 667 Ja–Stimmen bei nur 45 Nein–Stimmen auf sich vereinigen. Die Ergebnisse der Wahlen für andere Vorstandsämter waren bei Redaktionsschluß noch nicht bekannt. Der Parteispitze schien es vor allem darum zu gehen, Geschlossenheit nach außen zu demonstrieren. Die Ereignisse in Kiel wurden deswegen zwar in zahlreichen Reden erwähnt, aber nur von Heiner Geißler und Gerhard Stoltenberg zum Anlaß für längere Ausführungen genommen. Stoltenberg beschränkte sich darauf, seine Rolle und die der CDU insgesamt zu rechtfertigen als auch SPD und den „unsäglichen Pfeiffer“ zu kritisieren. Heiner Geißler übte dagegen auch CDU–Kritik - allerdings vorwiegend zu Lasten von Uwe Barschel. Eine bemerkenswert geringfügige Rolle spielten sowohl in den Redebeiträgen von Helmut Kohl und Heiner Geißler als auch im Fraktionsrechenschaftsbericht von Alfred Dregger und in der anschließenden Aussprache die tödlichen Schüsse an der Startbahn West. In der Aussprache, die zwei Stunden dauerte und während der Wahlgänge zeitweilig fortgesetzt wurde, übte lediglich ein Delegierter aus dem Münsterland harsche Kritik an der Parteiführung: Es werde immer von Zukunft geredet, tatsächlich sei die CDU aber schon nahezu überfordert, die Gegenwart zu bewältigen. Er wünsche sich nicht, daß sein Traum wahr werde: daß nämlich die CDU wieder die Oppositionsbänke drücke, „denn in der Opposition war unsere Partei stark und mutig und hat die Menschen begeistert“. Der Delegierte heimste allerdings nur Buhrufe und überhaupt keinen Applaus ein. Fortsetzung auf Seite 2 Bericht auf Seite 5 Neben Heiner Geißler erntete Norbert Blüm den meisten Beifall: Er begründete sein Menschenrechtsengagement und argumen tierte für seine geplante Reise nach Südafrika. Auch Lothar Späths Rede, in der er angesichts von Vertrauenskrise und „Politikverdrossenheit“ für eine „Anti–Frust– Front“ plädierte, bekam positive Resonanz. Am frühen Abend wurde dann noch die Senioren– vereinigung gegründet, die künftig gleichberechtigt neben Organisationen wie der Jungen Union oder der Frauenvereinigung stehen soll.