P O R T R A I T Norbert Fischer ist tot

■ Der Hauptkassierer der Industriegewerkschaft Metall beging Selbstmord / Der Finanzier des Arbeitskampfes 1984 war schwer herzkrank

Berlin (taz) - Nach tagelanger, banger Ungewißheit am Donnerstag abend die Bestätigung: Norbert Fischer, der unauffällige, aber einflußreiche Kassierer der Industriegewerkschaft Metall, ist tot, hat sich umgebracht. Am Dienstag morgen hatte er während der turnusmäßigen Vorstandssitzung der IG Metall geäußert, er fühle sich nicht gut und wolle sich zu Hause hinlegen. Aber er fuhr nicht zu seiner Frankfurter Wohnung, in der er mit seiner Frau lebte. Offenbar hat er sich in einen Zug nach München gesetzt, fuhr weiter nach Rosenheim. Am Dienstag abend kurz nach 20 Uhr meldete der Lokführer eines Güterzuges in der Nähe der oberbayerischen Stadt Rosenheim per Funk, er habe an seiner Lokomotive einen Aufprall gehört. An Hand von Fingerabdrücken konnte der unbekannte, entstellte Tote schließlich identifiziert werden. Über die Motive des 60jährigen Spitzenfunktionärs gibt es keine Gewißheit. In seiner Amtsführung liegende Gründe werden bei der IG Metall ausgeschlossen. Ein Abschiedsbrief wurde bislang nicht gefunden. Gegenüber seinen Mitarbeitern und Gewerkschaftskollegen hat er seine Absicht nicht erkennen lassen. Norbert Fischer war innerhalb seiner Organisation das vielleicht unumstrittenste Vorstandsmitglied. Seine gewerkschaftliche Karriere hat er in München als IG–Metall–Sekretär begonnen. 1975 wurde er zum Hauptkassierer der IG Metall gewählt. Seine Verbundenheit mit der Organisation, seine Loyalität gegenüber der Metallgewerkschaft war schier grenzenlos. Vom politischen Naturell her eher traditioneller, rechter Sozialdemokrat hat er nie versucht, die kämpferische IG Metall mit dem Hinweis auf das Geld zu bremsen. Sein Meisterstück war die Finanzierung des siebenwöchigen Arbeitskampfes 1984 um die 35–Stunden–Woche, als innerhalb weniger Wochen rund 500 Millionen Mark aufgebracht werden mußten. Norbert Fischer war schwer herzkrank. Der Rat seiner Ärzte ließ keinen Zweifel: Er mußte aufhören. Intern hatte man sich bei der IG Metall auf das nächste Frühjahr geeinigt. Martin Kempe