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INTERVIEWWarten auf andere Mehrheiten

■ Eckhard Stratmann, energiepolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion der Grünen, zum Rückzug des Genehmigungsantrages zum Schnellen Brüter in Kalkar

taz: Das RWE hat den Genehmigungsantrag zu Kalkar zurückgezogen. Statt der ursprünglich beantragten Einlagerung der Brennelemente will man nun nur eine Genehmigung für passive Sicherheitseinrichtungen. Wie bewertest du diesen Coup. Was steckt dahinter?

Eckhard Stratmann: Zunächst steckt dahinter, daß das RWE und die Betreibergesellschaft SBK indirekt zugestehen, daß es sicherheitstechnische und atomrechtliche Bedenken gegen die beantragte Kernänderung und die Einlagerung der Brennstäbe gibt. Sie ändern den Antrag, um die zeitliche Durststrecke bis zu den Landtagswahlen 1990 überbrücken zu können, weil sie darauf spekulieren, daß dann im Land NRW andere politische Mehrheiten – sprich sozialliberale Koalition – zustande kommen. Die FDP in NRW hat sich ja eindeutig für die Inbetriebnahme des Schnellen Brüters ausgesprochen. Daß sich das RWE auf einen länger dauernden Genehmigungsprozeß einrichtet, kann man auch daran ablesen, wie derzeit versucht wird, mehr Energieunternehmen an der Betreibergesellschaft zu beteiligen. Die Erweiterung des Gesellschafterkreises der SBK um alle großen deutschen Energieunternehmen war schon Thema der letzten RWE- Aufsichtsratssitzung. Die Bayern-Werke und Preußen-Elektra sollen sich dazu schon im Grundsatz positiv geäußert haben. Damit sollen natürlich zusatzliche Finanzmittel für die Durststrecke mobilisiert werden. Wenn jetzt das RWE passive Sicherheitseinrichtungen beantragen will, dann gesteht die Betreibergesellschaft damit zu, daß die Bauphase noch nicht abgeschlossen ist. Sie sagen also selbst, entgegen früheren Äußerungen, daß der Brüter noch nicht betriebsbereit ist. Entsprechende Baugenehmigungen setzen nach dem Atomrecht eine Neubewertung des gesamten sicherheitstechnischen Konzepts voraus.

Betreiber und Bundesregierung sind offenbar dabei, den Brüter unter allen Umständen doch noch in Betrieb gehen zu lassen?

Ja, davon gehe ich aus. Man wartet auf atomfreundlichere Mehrheiten in NRW. Töpfer und die SBK sehen sich offenbar nicht in der Lage, über den atomrechtlichen Weg die Landesregierung erfolgreich anweisen zu können.

Die Auffassung in Teilen der Anti-AKW-Bewegung, der Schelle Brüter werde sich aufgrund der gigantischen Kostensteigerungen quasi selbst erledigen, war nichts weiter als eine Illusion?

Das war sicherlich eine Illusion, denn Kostenargumente beindrucken weder die Betreiber, noch die Bundesregierung. Die haben ja erst wieder vor Wochen 300 Mio. DM zugeschossen.

Glaubst du, daß die Landeregierung gegen den geänderten Antrag mit Aussicht auf Erfolg juristisch vorgehen könnte?

Dazu müßte ich die Anträge im einzelnen kennen. Generell gilt aber: Jede einzelne Baugenehmigung setzt ein positives Gesamturteil voraus. Die Landesregierung hat bis zu ihrem energiepolitischen Schwenk in bezug auf Kalkar 17 solcher Genehmigungen erteilt. Die Betreiber spekulieren wohl darauf, daß die 18. Baugenehmigung nicht versagt werden kann. Allerdings liegt durch die Entwicklung der letzten Wochen die Voraussetzung für ein positives Gesamturteil ferner denn je. Es gibt kein Entsorgungskonzept für den Schnellen Brüter. Das was dafür ausgegeben worden ist, ist durch die Vorgänge bei Transnuklear völlig desavouriert. Es ist also zu prüfen, ob das Entsorgungsdesaster nicht ein zusätzliches atomrechtliches Argument gegen ein positives Gesamturteil hervorbringt. Schon dadurch könnte dann jede Baugenehmigung abgelehnt werden.

Was sollte die Landesregierung tun?

Die Landesregierung muß sich natürlich an Recht und Gesetz halten, aber sie kann gleichzeitig alle atom-, energie- und entsorgungsrechtlichen Möglichkeiten nutzen. Und das tut sie eben nicht. Seit einigen Wochen zeigt sich schon, daß die Landesregierung auch im Fall Kalkar keinen harten Konfliktkurs gegen die Bundesregierung fährt. Der Hauptsicherheitseinwand gegen Kalkar ist der Bethe-Tait-Störfall. Durch Tschernobyl ergeben sich auch für Kalkar in dieser Frage neue Bewertungskonsequenzen. Die Bundesregierung hat in einem Brief die Landeregierung gebeten, keine weiteren Untersuchungen zum Bethe-Tait-Störfall selbst anzustellen. Der Bitte hat die Landesregierung freiwillig entsprochen, obwohl die Landesregierung immer sagt, es müsse die Sicherheitsüberprüfung nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erfolgen. In diesem Fall hat die Landesregierung ohne Not darauf verzichtet, dem aktuellen wissenschaftlichen Stand Genüge zu tragen und weitere Gutachten erstellen zu lassen. Die Landesregierung hat sich hier anweisen lassen. Das ist alles andere als ein konsequenter Kampf. Interview: Walter Jakobs

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