: Freie Bahn für Gen–Manipulation
■ Auf dem Verordnungsweg soll es gentechnischen Produktionsanlagen ermöglicht werden, unter Umgehung öffentlicher Kontrolle Genmanipulationen vorzunehmen / Öko–Institut protestiert
Berlin (taz) - Freie Bahn will die Bundesregierung auf dem Verordnungswege der Gen–Industrie beim Aufbau gentechnischer Produktionsanlagen verschaffen. Nachdem die Frankfurter Hoechst AG bei der Errichtung der ersten bundesdeutschen gentechnischen Produktionsanlage (zur Herstellung von Insulin) Schwierigkeiten mit Anwohnern bekam und deswegen in Prozesse mit noch offenem Ausgang verwickelt ist, soll jetzt auf Vorschlag des Bundeskabinetts die Öffentlichkeit weitgehend aus den Genehmigungsverfahren für den Betrieb solcher Anlagen ausgeschlossen werden. Am 18.Januar wird der Bundesrat eine „Änderung der Vierten Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes“ verabschieden, die unter anderem besagt, daß „Anlagen zum fabrikmäßigen Umgang mit gentechnisch veränderten Mikro organismen“ nur noch einem vereinfachten, nichtöffentlichen Genehmigungsverfahren unterworfen werden. Lediglich bei Anlagen, die mit gentechnisch veränderten Mikroorganismen arbeiten, „von denen erwiesen ist oder die im begründeten Verdacht stehen, daß sie bei Menschen, Tieren oder Pflanzen Krankheiten hervorrufen oder die Umwelt gefährden“, ist das öffentliche Genehmigungsverfahren weiterhin vorgeschrieben. Wer diese Gefahren jedoch feststellen soll oder einen „begründeten Verdacht“ vortragen darf, bleibt in dem neuen Verordnungswerk ungenannt. Das Öko–Institut Freiburg sieht in diesem Vorgehen der Bundesregierung „einen Freifahrtschein“ für die Betreiber gentechnischer Produktionsanlagen. In einer Presseerklärung weist das Institut darauf hin, daß die Gefahr gentechnisch manipulierter Organismen gerade darin bestehe, daß aufgrund der Neukombinationen von Erbanlagen bisher ungefährliche Organismen ein neues, noch unbekanntes Gefährdungspotential erhalten können. Das Institut fordert deshalb das Gegenteil dessen, was der Bundesrat jetzt verabschieden soll: Die Umkehr der Beweislast. Solange nicht der Nachweis erbracht sei, daß die neukonstruierten Organismsen ungefährlich sind, müsse von einem Gefährdungsptential ausgegangen werden. Der Ausschluß der Öffentlichkeit aus den Genehmigungsverfahren bedeutet auch, daß die Betreiber nicht mehr zur Gewährung der Akteneinsicht gezwungen werden können. Diese jedoch bietet erst die Voraussetzung dafür, Aufschluß darüber zu erhalten, welche Gefährdungen von den manipulierten Organismen und ihren Produkten ausgehen könnten. mtm K O M M E N T A R E
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