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Stadt Lübeck wird aufmüpfig

■ Senat und zweite Bürgermeisterin widersetzen sich wegen Atommüll–Verschiffung / Kieler Landesregierung interveniert und setzt Verladung der Brennelemente durch / Innensenator Hilpert geht demonstrieren

Aus Lübeck Torsten Joel

Nach einer Sondersitzung empfahl der Lübecker Senat dem Bürgermeister, sich der Weisung des schleswig–holsteinischen Verkehrsministers Asmussen (CDU) zu widersetzen. Dieser hatte Bürgermeister Knüppel (CDU) aufgefordert, von ihm verschickte Unterlassungsbescheide an die Gesellschaft für Nuklearen Service (GNS), die Nukleare Transport–Leistungs GmbH (NTL) und die Lübecker Hafen Gesellschaft (LHG) zurückzunehmen. Die Bescheide verboten den drei Firmen das Verschiffen hochgiftiger MOX–Brennelemente über den Nordlandkanal, einen Teil des Lübecker Hafens in Innenstadtnähe. Stellvertretend für Knüppel, der krank ist, schloß sich die zweite Bürgermeisterin Bauer (SPD) der Empfehlung des Senats an. „Es gibt Situationen, wo man auch Ungehorsam üben muß“, begründete der Initiator des Senatsbeschlusses, Innensenator Hilpert (SPD) die, so wörtlich, „Aufforderung zum rechtswidrigen Verhalten“. Postwendend reagierte der kommissarische Leiter des Verkehrsministeriums, Asmussen. Als Fachaufsichtsbehörde hob er die Unterlassungsbescheide der Stadt Lübeck auf und gab den MOX–Transporten endgültig grünes Licht. Frau Bauer dazu: „Ich bin entsetzt, daß mit Ängsten der Bevölkerung so zynisch umge gangen wird.“ Hilpert kündigte seine Teilnahme an den Demonstratioenn an, zugleich ist Hilpert Verantwortlicher für die Polizei. Ein Mitglied der Lübecker Initiativen gegen Atomanlagen (Liga) fand es „bedauerlich, daß die jetzt so konsequent ausgedrückte Haltung der Stadt sich viel zu spät äußert.“ Ähnliche Kritik kommt vom Lübecker Ratsmitglied Wosnitza: Die LHG, deren Vorsitzender Knüppel ist, hat mit den Transportfirmen Exklusivverträge abgeschlossen. Die Rechtsungültigkeit seiner Unterlassungsbscheide muß ihm klar sein.“ Am Montag abend legte das Atomschiff „Sigyn“ planmäßig in Oskarsham, Schweden, ab. Die „Sigyn“ war mehrfach bei Hafeneinläufen verunglückt, weshalb in Schweden eine Havariekommission eingesetzt worden war, die das Schiff als „träge, schwach und unberechenbar“ kritisierte. Es ist 85 Meter lang und hat Probleme beim Manövrieren im 80 Meter breiten Hafenbecken in Lübeck. Gestern Mittag war um 14.05 Uhr der erste Atomcontainer per Bahn im Hamburg Maschener Güterbahnhof eingetroffen. Es ist möglich, daß die Bahncontainer früher als geplant zum Lübecker Hafen gebracht werden, um eventuellen Blockaden zu entgehen. Gruppen aus dem gesamten Bundesgebiet werden zu Aktionen und Demonstrationen in Lübeck erwartet.

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