: Makabres Feuilleton
■ Journalisten fragen, der durch seine journalistische Vergangenheit im Nazi-Regime ins Gerede gekommene Werner Höfer antwortete
Berlin (taz) – Was soll man zu einem Höfer sagen, der betont, er sei damals, als Nazi-Feuilletonist, ein „ehrgeiziges Kerlchen“ gewesen? Gestern abend konnte man im ZDF den strapaziösen Versuch eines Mannes erleben, der ohne eigentliches Verstehen um Verständnis warb. Carola Stern (WDR), Rainer Apel (ZDF), Helmut Karasek (Spiegel), Gernot Roman (NDR) und Daniel Vernet (Le Monde) saßen – ja was? Zu Gericht? Nein, nicht Anklage, sondern „Aufklärungsdebatte“ sollte es sein (Apel).
Dennoch: Die Runde wirkte wie eine Versammlung gehemmter Kannibalen, die sich nicht über das Tischgebet einigen kann. In der Tat reizte die opulente Dürftigkeit Höfers zur Schlachtung: Er betonte, als „apolitischer“ Mensch sei er bis zum Propagandareferenten der Organisation Todt aufgestiegen; immer Objekt höherer Mächte, wollte er im Rüstungsministerium lediglich Zeitungen ausgeschnitten haben. Angesichts solcher Offenbarungen brach die Runde refrainartig in den Ruf aus: „Wie soll die Jugend das verstehen.“ Karasek hielt ihm vor, Höfer lege Karriere als „Schwäche“ aus. Er sei Fortsetzer der „Bücherverbrennung mit anderen Mitteln“, „Schreibtischtäter“, „deutscher Fall“ Waldheim. Für den Vorwurf Schreibtischtäter handelte er sich die Erregung von Carola Stern ein. Sie sah zu Recht eine makabre „Verharmlosung“ und „Aufweichung“ des Begriffs für Nazi-Mörder.
Karasek seinerseits drohte immer mit Belegmaterial hinter seinem Pult. Warum aber wünschte man nicht, daß ers tue? Warum ging die mit so viel Beweisen gedeckte Selbstgerechtigkeit der Höfer-Angreifer auf die Nerven? Einmal deswegen, weil es im Land der ungesühnten Massenmorde unerträglich ist, daß am Ende ein Feuilletonist auf der Strecke bleibt. Zum anderen, weil die absurden Rechtfertigungen von Höfer keinen anderen Schluß zulassen, als daß er es ehrlich meint. Er sei „gedungen“ worden; weggehen von der Propagandafront wäre wie „Fahnenflucht“ bestraft worden. Mit anderen Worten: Hätte Höfer nicht über „unterwertige Menschen“ damals geschrieben und keine Hinrichtung beklatscht, hätte er gewissermaßen den Gang zum Schaffot antreten müssen. Unglaubhaft zwar, aber glaubhaft, daß er es noch glaubt. „Selbstverständlich“, so Höfers gereizter Refrain, sei seine Scham. Gewiß, er schämt sich, aber er weiß nicht genau, wofür. Verurteilen wir ihn nicht, denn er ist ein redendes Dokument dafür, wie die Demokratie erschlichen worden ist (Karasek). Klaus Hartung
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