Siemens gegen Anti–WAA–Film

■ In der Siemensstadt Erlangen beugt sich der Oberbürgermeister dem Willen des Konzern, und der Vorstand des Zentrums „E–Werk“ unterwirft sich dem Willen des Oberbürgermeisters

Aus Nürnberg Wolfgang Gast

Der Erlanger Anti–AKW–Film „WAArum - Bomben, Business, BRD“ sorgt in der mittelfränkischen Stadt für Furore. Zuletzt haben sich am Wochenende die Erlanger Sozialdemokraten von ihrem Genossen und Oberbürgermeister Dietmar Hahlweg distanziert. Auf seine Veranlassung hin war die weitere Aufführung des Films verboten worden. Besonders erbost ist der Kreisverband der SPD, daß sich Hahlweg dabei den Interessen des Siemens–Konzerns, dem größten Arbeitgeber und Gewerbesteuerzahler der Stadt, sang– und klanglos untergeordnet hat. Schon kurz nach der Erstaufführung im September letzten Jahres im Kommunikationszentrum „E–Werk“ schlug der Video–Film hohe Wellen. Mit einem 19seitigen Schreiben wandte sich der Firmenvorstand der Siemens AG an den Oberbürgermeister und monierte „falsche Tatsachenbehauptungen“ und die Verunglimpfung der Firmen gruppe (Siemens/KWU). Die Reaktion des Stadtoberhauptes ließ nicht auf sich warten. Gemeinsam mit dem Leiter des Rechtsamtes erklärte er das Video, das mittlerweile mit mehr als 20 Kopien über die Nürnberger Medienwerkstatt und die Münchener Medienkooperative B.O.A. bundesweit ausgeliehen wird, zum „üblen Machwerk“, das „an Darstellungen erinnert, wie man sie aus totalitären Staaten gewöhnt ist“. Besonders wurden die Passagen beanstandet, in denen die NATO als aggressives Bündnis mit dem Ziel der Vernichtung der UdSSR bezeichnet und der BRD „die Interessen einer kapitalistischen Industrienation“ beim Bau der WAA unterstellt werden. Mit der Begründung, der Film lasse sich mit dem Geist der Satzung des „E–Werks“ nicht vereinbaren, wurde der Vorstand des „E–Werks“ ins Rathaus zitiert. Nach zweistündiger Beratung hinter verschlossenen Türen beugten sich die Vorstände dem Ansinnen der Stadt und untersagten eine weitere Aufführung. „Das sieht aus wie Zensur, das riecht wie Zensur - das ist Zensur“, kommentierte der frühere Erlanger Grünen–Stadtrat Grillenberger das Verhalten des Vorstandes. Von den 88 stimmberechtigten Mitgliedern wollten nur 10 das Filmverbot bei der letzten Vollversammlung mittragen. Als Motiv für ihr Handeln führten sie ihre Sorge um den Fortbestand des Hauses an, das im laufenden Jahr mit 660.000 Mark von der Erlanger Kommune bezuschußt wird. „Wir können eine Vorführung des Filmes nicht zulassen, auch wenn wir dies angesichts der jüngsten Begebenheiten in der BRD als grotesk empfinden.“ Das Aufführungsverbot konnten die Mitarbeiter des „E–Werk“ dennoch nicht durchsetzen. Nachdem zum geplanten Termin am 16.1. im Kino des Zentrums eigens die Schließzylinder ausgetauscht worden waren, besorgten sich Unbekannte den Schlüssel für einen Mehrzweckraum und führten den Film über 250 Besuchern vor.