treik bei VW-Mexiko erfolgreich

15 Prozent mehr zugesagt / Auch Hochschulbeschäftigte im Ausstand / Widerstand gegen „Pacto de Solidaridad“  ■ Aus Mexiko-Stadt Reimar Paul

Die Streikwelle, von der Mexikos Wirtschaft seit Jahresbeginn überschwemmt wird, hat jetzt auch das Volkswagenwerk in Puebla erfaßt. Montag mittag, 14.00 Uhr Ortszeit, legten die 9.700 Beschäftigten für einen unbefristeten Zeitraum die Arbeit nieder, um der Forderung nach einer 15prozentigen Lohnerhöhung, rückwirkend ab 16. 12., Nachdruck zu verleihen. Am Mittwoch wurde der Streik beendet, nachdem die Geschäftsleitung die Forderung nach 15prozentiger Lohnerhöhung erfüllt hatte, allerdings nur rückwirkend bis zum 1. Januar. Dafür gibt es eine einmalige Sonderleistung in Höhe von fünf Tagesgehältern.

Volkswagen de Mexico hatte während mehrtägiger Verhandlungen lediglich 10 Prozent mehr Lohn ab 1. Januar angeboten. Dies zudem nur unter der Bedingung, daß die Arbeiter auf vertraglich vereinbarte Monats- und Jahresprämien verzichten. Die 15-Prozent-Forderung, die der Generalsekretär der Gewerkschaft, Rodolfo Contreras Duran, gegenüber der Presse stets für „nicht verhandelbar“ erklärt hatte, bewegte sich dabei exakt im Rahmen des sogenannten „Solidaritätspaktes“.

Diese Vereinbarung wurde am 15. Dezember zwischen Regierung, regierungsnahen Gewerkschaften und Unternehmerverbänden getroffen und ist seitdem Gegenstand breiter und zunehmend heftiger Proteste in der Bevölkerung, v. a. unter den Linksparteien und unabhängigen Gewerkschaften. Der „Pacto de Solidaridad“ empfiehlt zur Bekämpfung der Inflation – 1987 lag die Rate bei 159 Prozent – für einen Drei-Monats-Zeitraum Lohnerhöhungen um lediglich 15 Prozent. Nur die Bezieher von Mindestlöhnen, die in den vergangenen Jahren ständig an Kaufkraft verloren haben, sollen um weitere 20 Prozent angehoben werden. An die Privatwirtschaft wird zum „Maßhalten“ bei der Preisgestaltung appelliert.

Die Regierung selbst ging allerdings mit schlechtem Beispiel voran, in dem sie parallel zum Inkrafttreten des Paktes am 16. 12. die Tarife für den öffentlichen Nahverkehr, für Wasser, Gas, Strom und Benzin um durchschnittlich 80 Prozent anhob. Und auch bei Lebensmitteln, Kleidung und anderen Produkten explodieren die Preise weiter: Für die beiden ersten Januar-Wochen wurde eine Inflationsrate von 13 Prozent, fast einem Prozentpunkt täglich, errechnet.

Seit Jahresbeginn vergeht kaum ein Tag, an dem es nicht zu neuen Streiks und Aktionen gegen den „Pacto“ kommt. Fast jeden Tag ist der Zocalo, zentraler Platz in Mexiko-Stadt, Ziel von vieltausendköpfigen Demonstrationen und Kundgebungen. Nachdem in der letzten Woche sämtliche mexikanische Versicherungsgesellschaften, einschließlich der staatlichen Sozial- und Krankenversicherungen ISSSTE und IMSS, gestreikt hatten, sind am Montag, parallel zu den VW- Arbeitern, die Beschäftigten von fünf Hochschulen des Landes in den Ausstand für mehr Lohn und gegen den Pakt getreten.

In der Regel geht es dabei um wesentlich höhere Lohnforderungen als die 15 Prozent bei VW. Dennoch wurde der Streik in Puebla von der Firmenleitung als „illegal“ bezeichnet. Im vergangenen August, nach einem 30tägigen Streik der Belegschaft, der auch international für Aufsehen gesorgt und die IG Metall zu Solidaritätsaktionen veranlaßt hatte, sei vereinbart worden, bis zum März 1988 die Löhne nicht weiter anzuheben. Das 10-Prozent-Angebot, so Martin Josephi, Chef des VW- Aufsichtsrates, sei daher ohnehin schon als Entgegenkommen zu werten, zu dem das Unternehmen nicht verpflichtet sei.

Unterstützung erfuhren die VW-Arbeiter von ihren Kollegen aus der Branche. Am vergangenen Samstag haben die Gewerkschaften der mexikanischen Niederlassungen von Ford, Nissan, General Motors, Chrysler und VW einen Vertrag auf gegenseitige materielle und politische Unterstützung bei Streiks und anderen Aktionen geschlossen.