„Man versucht, meine Klienten zu zerstören“

Am Freitag wird im Prozeß gegen Mitglieder der „Action Directe“ das Urteil erwartet / Die taz sprach mit dem Anwalt Bernard Ripert über die Situation der Häftlinge, die sich angeblich seit 71 Tagen im Hungerstreik befinden  ■ Aus Paris Georg Blume

Wenn die 14.Strafkammer des Pariser Justizpalast am Freitag das Urteil in dem ersten Prozeß gegen Mitglieder der französischen Untergrundorganisation „Action Directe“ spricht, werden die Hauptangeklagten abwesend sein. Jean- Marc Rouillan, Joelle Aubron, Nathalie Menigon und Georges Cipriani befinden sich angeblich seit 71 Tagen im Hungerstreik. Bis auf Nathalie Menigon wurden die Hungerstreikenden bereits letzte Woche in Krankenhäuser eingewiesen. Anwalt Bernard Ripert rechnet damit, daß man noch in dieser Woche beginnen wird, die Angeklagten zwangszuernähren. Dann müßte sich auch endgültig entscheiden, ob es eine Solidaritätsbewegung für die AD-Mitglieder hinter Gittern geben wird. Maitre Ripert hofft darauf. Seine jetzige Verteidigungsstrategie zielt bereits auf die Schwurgerichtsverfahren gegen die Hauptangeklagten, die am 17. bzw. 22. Februar eröffnet werden. Währenddessen aber warten die im laufenden Prozeß wegen „Beteiligung an einer Kriminellen Vereinigung“ angeklagten mutmaßlichen AD-Mitglieder mit Spannung auf das Urteil am Freitag. Die taz sprach gestern mit Maitre Ripert, der zur Zeit als einziger Anwalt den Kontakt zu Jean-Marc Rouillan, Joelle Aubron, Nathalie Menigon und Georges Cipriani hält und sie kürzlich besucht.

taz: In welchem Gesundheitszustand befinden sich die Angeklagten?

Bernard Ripert: Ihr Gesundheitszustand ist sehr schlecht. Sie sind sehr müde und extrem geschwächt. Sie befinden sich an diesem Dienstag im 71.Tag ihres Hungestreiks. Davon sind sie gezeichnet.

Wie verhalten sich die Ärzte?

Die Angeklagten verweigern derzeit alle medizinischen Kontrollen. Gerade deshalb versucht man Druck auf sie auszuüben. So zum Beispiel im Fall Nathalie Menigons: Als ich sie am Samstagmorgen besuchte, bekam sie einen Schwächeanfall. Bewußtlos wurde sie von den Wärtern abgeschleppt, und dann im Laufe des Tages ins Krankenhaus gebracht. Am Abend aber überführte man sie wieder ins Gefängnis, mit der Begründung, sie lehne medizinische Hilfe ab. In Wirklichkeit war dies ein Vorwand, ihr zunächst anstrengende Transporte zuzumuten und dann die Aufnahme im Hospital abzulehnen, obwohl ihr Zustand besorgniserregend ist.

Wurden die Gefangenen bereits zwangsernährt?

Bis Samstag, und seitdem habe ich keine Nachricht, war man soweit nicht gegangen. Ich glaube allerdings, daß man im Laufe dieser Woche die Zwangsernährung anordnen wird. Jedoch bereits heute verweigert man Joelle Aubron die Einnahme der Vitamine B6 und B12 zum Erhalt ihrer geistigen Fähigkeiten. Wieder lautet die Begründung, daß Joelle Aubron alle medizinische Hilfe ablehne. Ich denke, daß die Ärzte wie auch die Gefängnisleitung mit dem Leben meiner Klienten spielen, um Druck auszuüben, daß sie ihre Aktion abbrechen.

Kann man Ihre Erklärung als ein Dementi der Aussagen der Gefängnisleitung verstehen, die vergangene Woche Zweifel an der Durchführung des Hungerstreiks erhob, weil Vitamine bei den Angeklagten gefunden wurden?

Dabei ging es um Vitamine, die man Joelle Aubron aufgrund ihrer Bronchitits gab. Es ist völlig unzulässig, daß die Gefängnisleitung sich nun erlaubt, Zweifel an der Wirklichkeit des Hungerstreiks zu verbreiten, der seit 71 Tagen dauert, und der nunmehr, wenn nichts passiert, unwiderrufliche Folgeerscheinungen für meine Klienten haben wird. Ich bin einverstanden, daß die Gefängnisleitung das Photo meiner vier Klienten publiziert, damit jeder über ihren Zustand urteilen kann. Das allerdings wird wohl nie geschehen.

Kommt die Zwangsernährung für die Angeklagten überraschend?

Nein. Bei zurückliegenden Hungerstreiks ist es auch soweit gekommen. Man wird Ihnen diese Behandlung aufzwingen, die nur sehr schwer zu ertragen ist, die aber für die Gefängnisleitung das einzige Mittel ist, die Aktion der Hungerstreikenden zu beenden.

Werden die Angeklagten nun nicht mehr in der Lage sein, vor Gericht zu erscheinen?

Ich denke, daß sie in der Tat nicht mehr dazu in der Lage sein werden. Wir werden sehen, ob man sie dann mit ihrer Magensonde vor Gericht schleppt.

Sie haben angekündigt, sich dann der Fortsetzung der Prozesse zu widersetzen?

Ja, natürlich. Wie, das werden sie bei der Verhandlungseröffnung vor dem Schwurgericht verfolgen können.

Sie sagten auch, sie kämpften für das Leben Ihrer Klienten. Was heißt das nach der jüngsten Entwicklung heute für Sie?

Zur Zeit ist es klar, daß ich wenig Mittel habe, diesen Kampf zu führen. Die gesamte Presse macht ein totales Black-out. Mehr als siebzig Tage Hungerstreik, und niemand kümmert sich, niemand spricht davon. Ich versuche auf meiner Ebene diese Mauer des Schweigens zu brechen, um jene in diesem Land zu erreichen, die noch denken, daß meine Klienten – unabhängig von dem Gegenstand der Ankalge – das Recht auf Leben im allgemeinen und das Recht auf ein politisches Leben im Gefängnis haben. Die Forderungen meiner Klienten beziehen sich auf ihre Situation im Gefängnis als politische Gefangene. Mit ihren Familien will ich gemeinsam versuchen, über ihr Schicksal zu informieren, auch, damit die Isolationshaft, der sie ausgesetzt sind, ein Ende nimmt. Diese Haftbedingungen betrachte ich im Einklang mit den internationalen Instanzen als wahrhafte Folter.

Wer unterstützt Ihre Aktion?

Es gibt Unterstützungsbewegungen in Belgien und der Bundesrepublik. Die Vereine von Familienangehörigen aus diesen Ländern haben uns ihre Solidarität signalisiert. Dazu kommen weitere politische Gruppen aus der Bundesrepublik.

Bleibt Hoffnung?

Ich habe wenig Hoffnung. Man versucht, meine Klienten zu zerstören. Und wahrscheinlich wird dies gelingen, sowohl auf psychologischer wie physischer Ebene. Doch die Druckmittel,die Beschuldigungen und Verfälschungen der Gefängnisleitung lassen meine Klienten und mich gleichgültig.