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Reagan brüskiert UN-Menschenrechtskommission

Die Ernennung eines Exilkubaners zum US-Delgationsleiter wird als Mißbrauch der Menschenrechtskommission kritisiert / Reagan will Kuba in den Mittelpunkt der diesjährigen Plenartagung stellen / Chef der bundesdeutschen Delegation ist Befürworter der Todesstrafe  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Gazastreifen, Südafrika, Afghanistan, Chile – genug aktuelle Probleme für die UNO-Menschenrechtskommission, die letzte Woche ihre bis Mitte April sehr knapp bemessene diesjährige Plenartagung aufnahm. Doch „Kuba“ soll das Thema sein, entschied Präsident Reagan und ernannte einen Exilkubaner zum Chef der US-Delegation in Genf. Armando Valladares verbrachte laut reichlich ausgelegtem Informationsmaterial des US-State Department 20 Jahre in Castros Gefängnissen. Sein von der Genfer US-Botschaft ebenfalls freizügig verteiltes Buch „Contra Toda Esperanza“ (Gegen alle Hoffnungen) schildert seine Erlebnisse in der Haft. Die kubanische Regierung bezeichnet ihn als ehemaligen Geheimpolizisten des Diktators Battista. Seit seiner Freilassung im Oktober 1982, heißt es im US-Propagandamaterial, „widmet er sein Leben den Menschenrechten, deren Verletzung er anprangert, wo immer sie geschehen“. Doch sein Hinweis auf „Menschenrechtsverletzungen in Südafrika oder Chile“ dient nur der Rechtfertigung, „jetzt endlich auch einmal Kuba zum Thema zu machen“.

Dabei beruft er sich auf „ausführliche Dokumentationen von Amnesty International“. Im Gespräch mit Journalisten muß er einräumen, daß die USA nur zu Kuba eine Resolution einbringen werden, aber andere Themen außer acht lassen wollen. Die Frage der taz nach der Todesstrafe in vielen Ländern und auch in zahlreichen der 50 US-Staaten, gegen die sich eine Kampagne von AI und anderen Menschenrechtsgruppen richtet, tut er ab. In den USA existiere sie „auf Grund demokratischer Entscheidungen der Parlamente einzelner Bundesstaaten, auf die eine UNO-Resolution keinen Einfluß“ habe.

Ungeachtet der Tatsache von Menschenrechtsverletzungen in Kuba, und was immer nun Valladares persönlicher Lebensweg und Rolle tatsächlich gewesen sind: seine Ernennung zum US- Delegtionschef wird von Delegationen aus West, Ost und den blockfreien Staaten als Affront und Mißbrauch der Menschenrechtskommission verstanden.

Schon im letzten Jahr, unter Valladares Vorgänger Wallach war die US-Delegation mit einer gegen Kuba gerichteten Resolution gescheitert. Wallach ist inzwischen in den Korruptionsskandal um US-Justizminister Meese verwickelt.

Auch der Leiter der bundesdeutschen Delegation, Richard Jäger (CSU) ist nicht unumstritten. Daß ausgerechnet ein Befürworter der Todesstrafe (“Kopf- ab-Jäger“) die Bonner Regierung in der Menschenrechtskommission vertritt, stärkt nicht gerade das Vertrauen in eine aktive Rolle der Bundesrepublik im Kampf zur weltweiten Ächtung der Todesstrafe. Nicht-Regierungsorganisationen mit Beobachterstatus in Genf kritisieren denn auch scharf die Zurückhaltung der Bundesrepublik im letzten Jahr. Nicht zuletzt daran, so die Kritiker, scheiterte die Verabschiedung einer Akte mit der Unterschrift all der Staaten, die die Todesstrafe bereits gesetzlich abgeschafft haben oder zumindest nicht mehr praktizieren. Damit sollten die harten Verfechter der Todesstrafe, wie zum Beispiel die islamischen Staaten, unter Druck gesetzt werden. Tatsächlich sind die Reden und Anträge niederländischer, skandinavischer oder auch australischer Delegierter sehr viel deutlicher, als die des zuständigen bundesdeutschen Delegationsmitglieds Michael Schwandt. Gegenüber der taz kritisiert er „Delegationen, die sich lautstark aus dem Fenster hängen, und nichts erreichen“. Wie allerdings die überzeugten Anwender der Todesstrafe unter den 149 UNO-Mitgliedsstaaten durch zurückhaltende Diplomatie zu einer Veränderung ihrer Haltung bewegt werden könnten, kann auch er nicht erklären.

Daß die Verletzung der Menschenrechte in den eingangs erwähnten Ländern im Verlauf der Plenartagung zur Sprache kommen werden, dafür werden schon die Delegationen aus den jeweiligen Regionen sorgen. Wobei sich voraussichtlich eine interessante taktische Gemengelage ergibt. So wird zum Beispiel nicht damit gerechnet, daß die DDR diesmal Angriffe und Resolutionsbegehren der PLO und der arabischen Staaten gegen die israelische Politik in den besetzten Gebieten unterstützt, weil die Delegation aus Jerusalem dann sofort die jüngsten Ausbürgerungmaßnahmen Ostberlins zum Thema machen dürfte.

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