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Das neue Wir-Gefühl in der GAL

Annäherung von Fundis und Hamburger Mittelgruppe auf dem GAL-Kongreß / Vorherige Skepsis wich entspanntem Feeling / SPD-Linker: Koalitionsfrage stellt sich nicht / „Aufbruch 88“ blieb chancenlos  ■ Von Reiner Scholz

Hamburg (taz) – Am Ende war es wie nach einem gelungenen Psychowochenende: Die GALier mochten nach zwei Tagen „Strategie-Kongreß“ gar nicht auseinandergehen. „Die Diskussion kam weg von der hemmenden Polarisierung“, resümierte das ökosozialistische Landesvorstandsmitglied Michael Wunder erleichtert. Ulli Gierse, Mitglied der zwar minderheitlichen, aber einflußreichen Eimsbütteler Mitte-Strömung stimmte zu: „Positiver Neuansatz. Man hat sich zugehört“.

Die neue Sensibilisierung, die die etwa 2.400 Mitglieder umfassende, 1982 gegründete Hamburger Grün Alternative Liste (GAL) seit ihrer schweren Wahlnieder lage vom Mai 1987 nicht mehr erlebt hat, deutete sich bereits am Freitag abend an. Bei der Podiumsdiskussion vor über 100 Zuhörern in einer überfüllten Schulaula gab es weder den von früher bekannten Stakkato-Beifall noch heftige Unmutsäußerungen. Dabei war die Kritik an der GAL auch von Außenstehenden drastisch. Marlies Renz von einer „Nach Tschernobyl-Initiative“ fühlte sich von der GAL mit ihrer gebetsmühlenartig vorgetragenen Forderung nach „Sofortausstieg“ in ihrem Kampf völlig alleingelassen. Ulli Göttrupp von der „Hamburger Rundschau“ warf den Grünen vor, sie verheizten ihre Promis und, ließen ihre positiven Symbole verludern. Politisch wichtig war die Aussage des SPD- Linken Michael Sachs: „Es ist völlig unnötig, heute die Koalitionsfrage zu stellen. Auch die Entlarvung der SPD gibt es bereits seit 120 Jahren“. Stattdessen riet er zur grün-sozialdemokratischen Zusammenarbeit vor Ort, die sich vielfach bewährt habe.

Deutlich fiel die Selbstkritik des ökosozialistischen Landesverbandes aus, in der Vergangenheit gegenüber der SPD aus Angst zuwenig flexibel gewesen zu sein. Da am Wochende Ökosozialisten und die Mittelgruppe weitgehend in ihrer Gesellschaftsanalyse übereinstimmen und in Fragen der Taktik offensichtlich größere Flexibilität einzieht, deute sich eine vorsichtige Zusammenarbeit der Flügel an. Ganz herausfallen würden dann die realpolitischen Vertreter des „Aufbruch 88“, die in Hamburgs Grünenspektrum derzeit chancenlos sind.

Die grünen „MacherInnen“ fehlten am Wochenende fast völlig. Sowohl der Landesvorstand, als auch die grüne Rathausfraktion und die bekannten Hamburger Vertreter in Bonn tauchten kaum auf.

Schlußbeitrag eines grünen Bezirksabgeordneten: „Ich habe das Gefühl, uns gings hier wie in dem Witz, wo sich zwei alte SDSler nach 20 Jahren zufällig in einer fremden Stadt wiedertreffen. Fragt der eine: Wo gehts hier zum Bahnhof. Sagt der Andere: Weiß ich auch nicht. Darauf wieder der Eine: Macht auch nichts, Hauptsache wir haben mal wieder miteinander geredet.“

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