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Von der Doppelmonarchie zur Doppelweltausstellung an der Donau

Im Verbund mit Budapest soll in Wien eine Weltausstellung im Jahr 1995 stattfinden / Ein Förderungsverein hat sich in Wien bereits etabliert / Motto und Standort stehen noch nicht fest / Die Expo soll ein Katalysator zur Integration Österreichs in den europäischen Binnenmarkt werden  ■ Von G. Regenermel/M. Schmid

1873 veranstaltete das K.u.K. Österreich eine Weltausstellung. 1995 soll es wieder soweit sein. Ganz im Stile der alten Monarchie ist eine gemeinsame Ausstellung in Wien und Budapest geplant.

Ob es tatsächlich dazu kommen wird, läßt sich noch nicht mit Sicherheit sagen. Immerhin haben bereits beide Staaten unverbindliche Anmeldungen an jene Behörde gerichtet, die über das Recht eines Staates, eine Weltausstellung abzuhalten, entscheidet, das Bureau International des Expositions in Paris. Verhandlungen zwischen Österreich und Ungarn finden derzeit noch hinter verschlossenen Türen statt, erst im Frühherbst soll die Öffentlichkeit genauer über das Projekt informiert werden. Und unklar ist derzeit noch so gut wie alles, Thema, Standortwahl, Besucherfrequenz, Kostenpunkt und Finanzierung.

Wollen sich Generalsekretär und Stellvertreter des mit der Vorbereitung diesbezüglicher Grundsatzpositionen betrauten „Vereins zur Förderung der Bewerbung um eine internationale Fachausstellung in Wien“ noch nicht zu möglichen Themen äußern – großangelegte qualitative Untersuchungen müßten abgewartet werden, rund 60 Themenvorschläge stünden zur Diskussion – bekundet Wiens Vizebürgermeister Mayr bereits Nähe zu einem bestimmten Themenkomplex, nämlich dem „menschlichen Siedeln und Wohnen“.

Bemerkenswert ist auch, daß bis dato noch kein Architekturwettbewerb, nicht einmal ein begrenzter, ausgeschrieben worden ist. Vorerst ist lediglich eine Schar handverlesener Architekten, über deren Identität Stillschweigen bewahrt wird, dazu berufen, über die Ausstellung nachzudenken. Der Grund für diese Geheimniskrämerei könnte darin liegen, daß einige der Architekturexperten in den letzten Jahren als Hätschelkinder der Gemeinde Wien oder des Bundes durch ihren in Beton gegossenen Mangel an Geschmack und Gefühl zu trauriger Berühmtheit gelangt sind. Sollte sich Mayrs Idee durchsetzen, bleibt nur zu hoffen, daß Wiens millionenschwere Architekturelite bei der Gestaltung nichts mitzureden hat.

Derzeit sind drei Standorte als mögliche Weltausstellungsgelände im Gespräch. Das größte und städtebaulich wohl interessanteste ist das Areal des Frachtenbahnhofs Wien Nord im zweiten Wiener Gemeindebezirk. Mit rund 68 ha ist es gut doppelt so groß wie die Variante zwei, dem nahe der UNO-City gelegenen Donaupark, der anläßlich einer Gartenschau 1964 angelegt worden ist und heute von Erholungssuchenden kaum mehr frequentiert wird. Als dritte Lösung bietet sich das alte Messegelände im Prater an. Etwas kleiner als der Frachtenbahnhof liegt es um einiges günstiger als der Ghettopark, nämlich jenseits von Gut und Böse zwischen Stadtautobahn udn Schrebergärten.

Doch wie auch immer die Planer entscheiden mögen, die spätere Nutzung scheint klar vorgegeben. Die Wiener Messe AG wünscht sich schon seit längerem neue Hallen für ihre Präsentationen. Vereinschef Stock im Originalton: „Wir bauen nicht Dinge, die man nachher abreißen soll, sondern wir bauen praktisch ein neues Messegelände. Das soll koordiniert werden mit der Messe AG, weil es ja nachher ihren Anforderungen entsprechen muß.“ Nichts leichter als das. Unter diesem Aspekt wäre es wahrscheinlich am besten, bliebe die Weltausstellung auf dem alten Messegelände im Prater. So würde der geringste städtebauliche Schaden angerichtet. Denn das Gelände des Nordbahnhofs ließe sich weit besser nutzen durch eine multifunktionale Bebauung als Verbindungsstück zwischen dem jetzt ziemlich heruntergekommenen Viertel hinter dem Bahnhof und dem Stadtzentrum.

Mit ähnlicher Skepsis ist vorderhand auch der Kooperationswille mit Budapest zu beurteilen. Gerhard Feltl, der auch in der Geschäftsleitung von IBM-Österreich sitzt, spricht sogar recht offen von einem Wettbewerb zwischen den beiden Städten. Aber wenn man aus einem, wie er es nennt, „kompetitiven Enviroment“ kommt, dann ist diese Sichtweise wohl auch ganz natürlich.

Der Wettbewerbsgedanke schlägt auch dann unweigerlich durch, wenn es um die Frage geht, ob das wirtschaftlich schwer angeschlagene Ungarn von Österreich monetäre Schützenhilfe erwarten könne. Feltl: „Von Anfang an war klar und es hat auch ein understanding mit den Ungarn bestanden, daß Österreich keinen Schilling fi nanziert für den ungarischen Teil der Ausstellung, daß wir aber gerne behilflich sind bei der Kreditbeschaffung.“ Im Klartext heißt das, hier warten Kreditgeschäfte für österreichische Staatsbanken. Daß Ungarn unter diesen Bedingungen letztlich doch noch aus dem Projekt aussteigen könnte, diese Gefahr sehen weder Feltl noch Vereinspräsident Stock.

In welcher Höhe mit Kosten für die gemeinsame Weltausstellung auf Seiten Österreichs zu rechnen ist, steht noch offen. Klar ist immerhin, daß die Kostenfrage „sicher eine der ganz, ganz essentiellen Fragestellungen“ ist. Kostenelemente erwarten Österreich im Falle eines Zustandekommens der Ausstellung durch infrastrukurelle Maßnahmen – darunter wohl auch der Bau der geplanten Autobahn nach Budapest, die Errichtung des Ausstellungskomplexes selbst, weitere Vorbereitungskosten, Durchführungs und Folgekosten.

Demgegenüber stehen auf der Einnahmeseite Mittel aus den von Österreich zu errichtenden Pavillons über Miete, Einnahmen über die Ausstellungsbesucher und Aussteller sowie Sponsoreinnahmen. Vizebürgermeiser Mayr kann sich vorstellen, daß über Sponsoren die laufenden Kosten abgedeckt werden. Ob die Ausstellung letztlich als – finanzieller – Gewinn gewertet werden kann oder nicht, wird davon abhängen, wo man die Rechnung ansetzt. Vizebürgermeister Mayr vertritt etwa die Ansicht, infrastrukturelle Maßnahmen dürften nicht ins Budget miteinbezogen werden. In eine ähnliche Kerbe schlägt Vereinsgeneral Stock, wenn wer meint: „Die Infrastruktur ist überhaupt kein Problem, weil wir alles brauchen, was wir machen werden, es wird nur vielleicht etwas früher da sein.“ Welche Finanzierungsmodelle dafür in Frage kommen, darüber wird noch Stillschweigen bewahrt. Ein Hineintragen dieser heiklen Frage in die Öffentlichkeit wollen Stock und Feltl den Politikern überlassen. Voraussichtlicher Zeitpunkt dafür: September dieses Jahres.

Weit deutlicher als die Orientierung am möglichen Partner tritt die Ausrichtung auf die größeren und schöneren Wunschgeschwister im Westen zutage. Denn, so Feltl, „wenn alles planmäßig läuft, wird Westeuropa bis Ende 1992 ein einheitlicher Binnen markt ohne Schranken, mit ungehinderten Personenverkehr und freiem Fluß von Waren, Kapital und Dienstleistungen.“ Und dann wollen wir natürlich mit von der Partie sein. „Die eine große Herausforderung ist somit das Entstehen eines geschlossenen Binnenmarktes und die Einbindung Österreichs in die EG.“

Herausforderung Nummer zwei wäre nach den Worten ihrer Wiener Planer die Weltausstellung selbst. Und mit ihr natürlich auch eine Fortführung und Intensivierung des Ost-West-Dialogs. Ein systemübergreifender Gedanken-, Kultur- und Warenaustausch. Doch allzu konkret wird man in diesem Punkt in Wien nicht.

Da hüllt man sich lieber in wolkige Formulierungen von „Kooperation, aus der politische, kulturelle und wirtschaftliche Impulse entstehen könnten“, so Feltl. Das Konkreteste, was den Herren von der Weltausstellung zu entlocken ist, ist die Fertigstellung einer Autobahnverbindung Wien-Budapest und die Erleichterung der Grenzabfertigung durch ungarische Zöllner, die schon in Wien in die Eisenbahn einsteigen.

Von Gemeinschaftsprojekten österreichischer und ungarischer Künstler, Kooperationen der Universitäten Wien und Budapest, gemeinsamen Forschungsvorhaben, Schüler- und Studentenaustausch oder längerfristigen gemeinsamen Kulturprojekten jenseits von Fledermaus und Zigeunerbaron ist keine Rede.

So wird der Wiener Teil der Weltausstellung wahrscheinlich auch mehr zu einer Nabelschau der Eitelkeit für die aufstrebenden Sparten der österreichischen Industrie, mit dem Wunsch den Brüdern und Schwestern im Westen zu zeigen, daß auch Österreich ein vollwertiges Mitlgied der EG-Familie ist. Stock: „Wir wollen gut sein in allen Belangen, egal ob Grenzen offen oder geschlossen sind.“ Stock – ehemals Chef des Österreichischen Verkehrsbüros erläutert dies: „Es soll eine Stimulanz für die Ostregion sein, ein gegensteuern zur Randlage in der sich Wien befindet.“ Denn bis heute hört Europa scheinbar hinter Wien auf.

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