Knast für Enthüllungen über die Mafia

■ Zwei italienischen Journalisten drohen lange Gefängnisstrafen, weil sie über Mafia–Verbindungen führender Politiker berichteten / Nationaler Presserat schickte längere Protestnote an die zuständigen Ministerien nach Palermo

Aus Rom Werner Raith

Angeschuldigt hatte der neue „Superzeuge“ Antonino Calderone (einst Mitglied des Mafia–Leitorgans Comissione) zwar den Vorsitzenden der sizilianischen Republikanischen Partei und derzeitigen Minister für Regionalangelegenheiten Aristide Gunnella: Der Mann sei bis über den Hals in mafiose Machenschaften verwickelt und habe unbekümmert Mafiosi in allerlei Ämter gehievt. Doch ins Gefängnis wandern in Palermo dafür vorderhand die zwei Journalisten Saverio Lodato und Attilio Bolzoni - weil sie über die schweren Vorwürfe berichtet hatten. Lodato ist Redakteur von LUnita, Attilio Bolzoni ist derzeit Sonderkorrespondent von La Repubblica und hat ein Jahrzehnt lang die Arbeit des Reporters Mauro de Mauro bei der palermitanischen Abendzeitung LOra weitergeführt. Mauro de Mauro war 1970 von der Mafia entführt worden und ist seither verschwunden. Zugeschlagen hat der Generalstaatsanwalt Salvator Curti Giardina - jedoch offenbar erst, nachdem Gunnella mit aller Gewalt bei seinem Kabinettskollegen des Inneren, dem Christdemokraten Amintore Fanfani, und der Justiz, dem Sozialisten Giulinao Vassaeli auf ein Ermittlungsverfahren gegen die beiden Journalisten gedrungen hatte, von denen Artikel mit Auszügen aus den Protokollen Galderones erschienen waren. Dabei schoß sich Gunnella freilich kräftig auch ins eigene Bein - „die müssen einen aufs Pünktchen informierten Maulwurf im Justizpalast haben“, brüllte er erregt, und bestätigte damit aus erster Hand die Korrektheit der Artikel Bolzonis und Lodatos. Der nationale Presserat hat eine massive Protestnote nach Palermo und die zuständigen Ministerien geschickt - nicht nur, weil gegen Gunnella offenbar noch nicht einmal ein Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, während die Journalisten bereits in Isolationshaft sitzen. Sondern auch deshalb, weil der Staatsanwalt gleich mit der allergrößten Kanone angerückt ist: Er wirft ihnen „Unterschlagung oder Beihilfe zur Unterschlagung vor und unterstellt damit, daß die beiden, möglicherweise zusammen mit einem Beamten, die Akten aus den Amtsräumen entwendet bzw. dort kopiert haben. Ein Verbrechen, auf dem in Italien zwischen drei und 13 Jahre Gefängnis stehen.