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„Volfgango was here“

■ Goethes „Italienische Reise“: Seit 200 Jahren ein Dauerbrenner deutscher Kulturmissionare

Von Werner Raith

Die Aussicht besteht immerhin: Im April jährt sich zum zweihundertsten Mal, endlich, endlich die Abreise des Alptraums aller Italienberichterstatter aus dem „Arcadien“ seiner Träume - und dann werden auch die nichtendenwollenden Feiern ein Ende nehmen, mit denen das Land der Zitronenblüte den leider unsterblichen Germanenbotschafter allerorten ehrt. Wo auch immer Meister Goethe seinen Fuß hinsetzte - besser: seine Nobelgefährte halten ließ - da prangen heute, von Südtirol über Rom nach Palermo Plaketten, Erinnerungssteine, Denkmäler mit tiefgedankenverlorenen Figuren, die den „großen Europäer“, den „Weltmann“, den „Dichterfürsten“ ehren. Ein Teil der freundlichen Memorationen ist schon alt, überwiegend den sechziger Jahren des aufstrebenden Tourismus entsprungen, daher schon zur Unleserlichkeit zerfressen und nur noch Freunden des Pittoresken ein Foto wert; in Roms Via del Corso mußte die Ehr–Kommission erst längere Zeit suchen, bis sie die in sechs Meter Haushöhe angebrachte Tafel für den „großen Volfgango Goethe“ entdeckte, in Palermo hängt sie noch immer am längst zur Ruine verfallenen Ex–Hotel nahe dem Strand. Der weitaus größere Teil jedoch stammt aus den vergangenen zwei Jahren, seit sich 1986 der Einfall des Vielschreibers ins Land deutscher Paradiesvorstellungen zum zweihundertsten Mal jährte. Fünf Zeilen in der - nachträglich vom Poeten geschönten und dem ursprünglichen Tagebuch fast völlig entfremdeten - „Italienischen Reise“ genügen, zumindest ein Stückchen Miturheberrecht am Gesamtopus des Genius zu reklamieren; Städte wie Taomina, die er im Tagebuch überhaupt nicht, in der „Reise“ gerade eineinhalb Seiten lang streift, stiften vieltausend Mark hohe Preise für die „beste Arbeit über Goethe und unsere Stadt“, zu Hunderten fallen Repräsentanten deutschen Geistesguts in italienische Dörfer und Städte ein und „bedanken sich für die Ehre, teilgenommen gedurft zu haben“ an der jeweils neuesten Inschriftenthüllung an geschichtsschwangeren Orten. Da enthüllt sich dann allerdings eher, daß der Alte recht dran tat, zwecks Kultur lieber nach dem Süden auszureißen: Selbst der abgelegendste italienische Dorfbürgermeister hat immerhin noch den Ehrgeiz, sich von einem Gastarbeiter die Aussprache langsam von „Gett“ über „Gotte“ auf „Gette“ trimmen zu lassen und zumindest den Klappentext einer Goethe–Biographie für seine Erde auswendig zu lernen - doch dann tritt auf der Recke aus dem Norden, der natürlich teutsches Dichter– und Denkerblut automatisch in seinen Adern fließen wähnt und gar nicht auf die Idee kommt, sich zum gegebenen Anlaß irgendwelche angemessenen Gedanken zu machen. Die vom Referenten aufgeschriebenen Spickzettel fest in die Linke geklemmt, die Rechte am Mikro, hebt der Gast - meist zweiter oder dritter Bürgermeister oder Stadtrat, die anderen waren alle schon in vergangenen Jahren da - zu einer Probe germanischen Kulturexportes an, die selbst der gnädigste Dolmetscher kaum zu kaschieren vermag. Sicher eine der Spitzenleistungen - von gut drei Dutzend Kommemorationen, denen sich auch der taz–Korrespondent nicht entziehen konnte - die Rede des Stadtkämmerers Karl Lohwasser von Bad Homburg, ausgeschickt als deutscher Repräsentant zur Plakettenenthüllung für den „Dichter der Mignon“ in der Partnerstadt Terracina südlich von Rom. Wildentschlossen, den Italienern nichts, aber auch gar nichts von der eigenen Geistesgröße vorzuenthalten, erblickte er mit „tiefen Dank die zahlreichen Bürgerinnen und Bürger und auch die vielen Schulkinder, die da sind“ und hob dann zu einer Rede an, deren zentrale Passagen wert sind, der Nachwelt im Wortlaut überliefert zu werden: „Ich glaube, wenn Sie heute den 200.Tag des Besuchs von Goethe in Terracina feiern, dann ist wohl keine Partnerstadt berufener, hier teilzunehmen, als die deutsche Partnerstadt. Denn Geothe hat wie kaum ein anderer unser deutsches Geistes– und Kulturleben und sicher auch das europäische Kulturleben geprägt. Er wirkte nicht nur als Dichter und Künstler, sondern auch als Staatsmann und Naturforscher, und nicht zuletzt als ein ganz lebender weiser alter Mann, der alle Höhen und Tiefen des menschlichen Daseins kannte. Doch wie Goehte andere beeinflußte durch sein Denken, wurde er selbstverständlich auch durch andere geprägt. Eine besondere Wandlung vollzog sich bei ihm durch die Italienreise, die er vor 200 Jahren unternommen hat und hier vorbeikam und als er dann zurückkam nach Weimar, war er nicht mehr der Goethe, der Weimar verlassen hatte.“ Da erschauerten denn doch die Italiener vor sich selbst. Und als die Schulkinder beim Abspielen der Hymnen - die europäische, die deutsche und die italienische - bei der ihren in das übliche Schwenken, Schunkeln und Tanzen verfielen, fuhr der Rektor wie der Teufel zwischen seine Eleven: „Seht ihr nicht, daß Deutsche da sind?“ So wurde auch dem Nachwuchs klar, daß sich hier Bedeutungsschwangeres abgespielt haben mußte. Inschrift, tags danach, neben einem Mc–Killroy–Nasenmännchen nahe der Plakette: „Gette was here“. Immerhin.

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