: O–Ton aus Pensionopolis
■ Letzte Folge des ZDF–Magazins nach 20 Jahren/ Helmut Schmidt und Rainer Barzel vereint im Rückblick / ZDF–Magazin startete mit dem Ende der Großen Koalition
Realo Helmut weiß, wie man mit Fundi Rainer umzugehen hat und sagt: „Herr Barzel hat mit Recht erwähnt“, um dann zum Politischen zu kommen. Fundi Rainer schlägt hingegen Herrn Schmidt einen inhaltlicheren Sprachgebrauch vor. Das war - zum letzten Mal - das ZDF–Magazin; Helmut Schmidt und Rainer Barzel, Rückblick und Kritik. Zwei Charaktermasken im Gespräch, von den Originalen persönlich vorgeführt. 1968 bis 1988, Zeit der Reife, der geschichtsphilosophischen Ernte. Helmut Schmidt will sich nicht in die Politik einmischen, also in das Treiben der heutigen Pygmäen. Aber er ist skeptisch, nicht pessimistisch, nein, aber skeptisch. Dem Westen fehlt eine „Gesamtstrategie“, also auch ein Gesamtstratege, gerade weil Entspannung und Gorbatschow usw. Der „Westen besteht aus Mittelmäßigkeit“. „Das ist schauerlich“. Namen werden nicht genannt. Barzel stimmt schweigend zu. Aber immerhin, bei der Abrüstung heute, fühlt sich Schmidt durch seine Nachrüstung voll bestätigt, „weil die Nullösung auf meinem Schreibtisch entstanden ist“. Das Genscher ins Stammbuch. Aber Skepsis. „Es kann sein, wenn Herr Gorbatschow Erfolg haben sollte ...“ „Wenn“, betont Schmidt, die Probleme sind ungeheuer, schon ökonomisch, Gorbatschow, „der relativ liberalste Kommunist seit Stalin“, aber das Osthandelsdefizit und die Nationalitätenprobleme. Doch Barzel sieht das alles fundamentaler: Schlimm, daß „Bündnis gleich Bündnis, Freiheit gleich Unfreiheit gesetzt wird“. Statt eines Soforteinstiegs in die Friedenspolitik immer nur Abrüstung der Waffen. Stefan Krawczyk hat doch recht! „Wir haben keine Zeit für Verzicht“. „Das ist der Punkt der Spannung“, von Krawczyk genau getroffen. Ein Leipziger will doch auch einmal Florenz sehen. Auch das ist Folter, daß er es nicht kann. Sollten doch US–Einheiten an die Weichsel und die Rote Armee an den Rhein, dann kann auch der Leipziger nach Florenz, wie Krawczyk schon sagte. „Sehr richtig, Herr Barzel“, fand Schmidt und verwies auf Mitteleuropa, die großen russischen Musiker und die erste deutsche Universität in Prag. Fundi und Realo im Kanon: „Es fehlt die Gesamtstrategie“. Beinah wären Fundi und Realo im Konsens entschlummert, da weckt sie Fritz Schenk mit dem Jahr 1968. Rainer, plötzlich munter: „Wir haben Tag um Tag diskutiert“, und haben den Repressionsapparat mit Wattebäuschen“ ausgestattet. Schmidt: „Wir haben aber auch dem Terrorismus nicht nachgegeben“. Barzel: „Und die Bildungspolitik“. .. Aber da war die letzte Folge des ZDF–Magazins schon zu Ende. Zwanzig Jahre auf–rechte Hetze, und dann kommt der Weltgeist, verdoppelt, wie Pat und Patachon, und führt einen geschichtsphilosophischen Slapstick vor. kh
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