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„Aus Scheiße kann man kein Gold machen“

■ Nord–CDU leitet „Schlußoffensive“ im Wahlkampf ein / Spitzenkandidat Heiko Hoffmann „diskutiert“ vorgebene Themen - und hat keine Ahnung / Verstörte CDU–Basis fragt nach Unterschieden zur SPD / Designierter Wirtschaftsminister und Fleischfabrikant: „Es geht um die Wurst“

Aus Kiel Petra Bornhöft

„Meister wie heißt Du eigentlich?“ will der leicht schwankende Strubbelkopf von dem mausgrau gekleideten Herrn wissen. Die Antwort „Doktor Rudolf Luther“ reicht dem Frager nicht. „Und was machste?“ Selbstbewußt streichelt der andere seinen Scheitel zwei Zentimeter überm Ohr: „Ich beschäftige 500 Leute. Redlefsen.“ Da huscht ein Lächeln der Erkenntnis über das Gesicht des Angetrunkenen: „Die Wurst eß ich gern.“ Dankbar greift der Fleischwarenfabrikant das Stichwort auf: „Ja, es geht bei dieser Schicksalswahl um die Wurst. Aber jetzt muß ich weg.“ Von dem hereinströmenden Publikum unerkannt, eilt der von der CDU designierte Wirtschaftsminister aus dem Rathaussaal in Barsbüttel. In dieser Kleinstadt zwischen Hamburgs Ostrand und der Autobahn nach Lübeck startete CDU–Spitzenkandidat Heiko Hoffmann am Mittwochabend die „Schlußoffensive“ der Partei zu den schleswig–holsteinischen Landtagswahlen am 8.Mai. Das Zeremoniell des „neuen Wahlkampfstils“ haben die Kieler Organisatoren bereits in sieben Veranstaltungen mit Hoffmann erprobt. Mit roten Punkten markieren die WählerInnen an einer Tafel eins von sechs vorgebenen Themen, das sie interessiert. In Barsbüttel, dessen Bewohner zum Teil auf verseuchten Mülldeponien leben und sich gegen zusätzliche Straßenprojekte wehren, wollen die meisten Konkretes über das Thema „Umwelt/Naturschutz“ hören. An zweiter Stelle steht „Arbeitsplätze/Wirtschaft“, gefolgt von „Schule/ Ausbildung/Zukunftschancen“. Nur neun von 80 Punkten kleben im Feld „Politik–Verständnis“ - auf keiner Veranstaltung fiel der Begriff „CDU–Affäre“. Und den Namen Barschel erwähnt man öffentlich überhaupt nicht mehr. Denn, so werben die Plakate, „Politik hat ein neues Gesicht“ - Justizminister Heiko Hoffmann, der am liebsten das pommersche Gericht „Puten mit Maronen“ kocht. Lässig im Korbsessel sitzend plaudert der neue Hoffnungsträger, unterstützt von einem Moderator. Dieser gibt rasch „Feuer frei“ für das erste Thema. Gemäß der schriftlichen Leitlinie übermittelt Hoffmann eine kurze Botschaft: „Wir müssen die Umwelt so heil wie möglich für künftige Generationen erhalten. Jetzt möchte ich Ihre Meinung hören.“ Die kommt in geballter Form. Ein Sprecher der Deponie– Anwohner, selbst seit über 20 Jahren Parteimitglied, nimmt sich viel Zeit, die amtliche Verschleppung der Bodenuntersuchung des verseuchten Geländes sowie die Ignoranz des Innenministeriums und der örtlichen Verwaltung darzustellen. „Was werden Sie tun als Ministerpräsident?“ Der Angesprochene blättert in Papieren, will sich „drum kümmern“. Nach fünf weiteren Fragern, der Kandidat umklammert mit der linken Hand die rechte Armlehne, hat die Lippen fest zusammen gekniffen, ist ihm „klar, daß die Deponie 78 hier in Barsbüttel Thema Nr. 1 ist. Aber wir sollten auch anderen politischen Themen Raum geben“. Der Moderator läßt James Last aufspielen. Nach der Pause geht es um „Arbeitsplätze und Wirtschaft“. Hoffmann lobt Dr. Luther als „hervorragenden Sachkenner, der meine wirtschaftspolitische Offensive unterstützen wird“. Zu dieser gehört die weitere Nutzung der Atomenergie. Ungefragt erklärt Hoffmann, die Landesregierung hätte dem AKW Krümmel zwischen dem Wahltag und dem 31.Mai die Dauerbetriebsgenehmigung erteilen können. „Aber wir haben es vorher gemacht, weil die Wirtschaft sich auf uns verlassen können muß.“ Die Zuhörer interessiert dieser schwarze Coup nicht, sie wollen den Kandidaten auf eine Aussage zu zwei umstrittenen Straßenprojekten festnageln. Vergeblich. Nach 20 Minuten hat Hoffmann begriffen, daß die „K 80“ und die Umgehungsstraße zwei verschiedene Betonpisten sind. „Aber in meinen Unterlagen wird gesagt, daß sie für die Wirtschaft des Raumes dringend erforderlich sind.“ In der aufkommenden Unruhe versuchen CDU–Lokalpolitiker zu retten, was zu retten ist. Draußen ziehen einige Parteimitglieder ein Resumee des Wahlkampfes: „Aus Scheiße kann man kein Gold machen.“ Unbegreiflich für manche, „wie wenig Ahnung Hoffmann hat“. Der Wahlkampf sei „nicht kämpferisch“ sagen die Norddeutsche Hausbesitzerzeitung, der Mittelstand und die FDP. Diese Kritik pflegt Dr. Luther zurückzuweisen mit den Worten: „Ich habe den Tarif in der Fleischwarenindustrie zehn Jahre stabil gehalten. Ohne Kampf ging das nicht.“

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