: Altnazi darf in Dänemark bleiben
■ Der Autor des Buches „Die Auschwitz–Lüge“, Thies Christophersen, wird nicht an die BRD ausgeliefert / Seine Straftaten, wegen denen er in der BRD gesucht wird, reichten in Dänemark für eine Verurteilung nicht aus.
Aus Apenrade B. Ohne
Der 70jährige deutsche Alt– und Neonazi Thies Christophersen wird vorläufig nicht an die Bundesrepublik ausgeliefert. Gestern hatte er in erster Instanz vor dem dänischen Bezirksgericht in Graasten (Gravenstein) erfolgreich gegen seine Auslieferung an die deutschen Behörden prozessiert. Damit gewann Christophersen gegen die Ausreiseentscheidung des dänischen Justizministers Erik Ninn–Hansen. Das Gericht war der Auffassung, daß die Christophersen in der BRD vorgeworfenen Straftaten nicht für eine Verurteilung in Dänemark ausreichen. Somit sei auch ein Auslieferungsgesuch des Kieler Justizministeriums zurückzuweisen. Ge gen die Entscheidung kündigte die Anklagevertretung noch im Gerichtssaal Berufung an. Christophersen, Autor des 1977 verbotenen Buches „Die Auschwitz–Lüge“, wird seit Dezember 1986 von der Staatsanwaltschaft Flensburg per Haftbefehl gesucht. Herausgeber des rechtsextremistischen Magazins Die Bauernschaft und der einschlägigen Schriftenreihe Kritik– Bücher ist, wird vorgeworfen, in seinen Buchwerken mehrfach das Andenken Verstorbener verunglimpft zu haben. Dazu kommen die Straftatbestände der Verächtlichmachung des Staates, Volksverhetzung und Verstöße gegen das Presserecht. Im September 1986 setzte sich Christophersen aus Schleswig– Flensburg ins benachbarte Dänemark ab. Er fand einen Dänen, der ihm ein Haus in dem kleinen Dorf Kollund vier Kilometer hinter der Grenze vermietete. Der seit Jahren in allen Verfassungsschutzberichten auftauchende Christophersen erhielt von den dänischen Behörden bis 1991 eine Arbeits– und Aufenthaltserlaubnis. Da die deutschen Behörden nicht tätig wurden, schien es, als könne der Rechtsextremist in aller Ruhe seine Publikationen von Dänemark aus in alle Welt schicken. Erst als dänische Journalisten den „Fall Christophersen“ in die Schlagzeilen brachten, sahen sich deutsche wie dänische Behörden zum Handeln gezwungen. „Tod im Naziauto“ vermeldete am 23. Januar ein Boulevardblatt. Aufge deckt wurde darin, daß der 27jährige Uwe Börner aus Heilbronn sich im Auto von Christophersen das Leben genommen hatte. Börner war aus DDR–Haft „freigekauft“ und wegen rechtsextremistischer Aktivitäten in der Bundesrepublik zu einer eineinhalbjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Damit kam auch Christophersens Auslieferungsverfahren ins Rollen. Die sozialistische Abgeordnete Inger Harms fragte im Kopenhagener Parlament, ob Dänemark die Tradition gewissen südamerikanischer Länder fortführen und eine Beschützerrolle für ehemalige Nationalsozialisten übernehmen wolle. Daraufhin signalisierte Dänemarks Justizminister Erik Ninn–Hansen den deutschen Behörden, daß sein Land sich einem Auslieferungsantrag nicht entgegenstellen werde. Im März erfolgte die Ausweisungsverfügung, gegen die Christophersen Rechtsmittel einlegte. Gleichzeitig stellte der Rechtsextremist, der den Tod von sechs Millionen Juden in Konzentrationslagern des Dritten Reiches leugnet, einen Asylantrag in Dänemark. Der wurde inzwischen abgelehnt. Christophersen wäre auch der erste Europäer gewesen, dem Dänemark die politische Verfolgung bescheinigt hätte. Der mehrfach vorbestrafte 70jährige soll 1944 in Auschwitz SS–Sonderführer gewesen sein, behauptet Simon Wiesenthal, Leiter des Bundes jüdischer Verfolgter des NS–Regimes und des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes. Christophersen dagegen behauptet, er sei in Auschwitz lediglich mit der Züchtung von Kautschukpflanzen beauftragt gewesen. Der Altnazi erhielt zuletzt im Oktober 1983 eine achtmonatige Freiheitsstrafe, von der er aber nur drei Monate verbüßen mußte. Davor saß Christophersen wegen neofaschistischer Aktivitäten 1979 schon einmal neun Monate im Gefängnis. Von 1981 bis 1983 hielt er sich bereits einmal im Ausland, nämlich in Belgien, auf, bis er auch von dort in die Bundesrepublik abgeschoben wurde. In der Schweiz hat Christophersen Einreiseverbot. Eine Auslieferung ist nach einem entsprechenden Abkommen zwischen beiden Staaten aus dem Jahre 1967 möglich, wenn eine in der Bundesrepublik begangene Straftat auch gegen Gesetze des Königreichs verstößt und der maximale Strafrahmen im nordischen Nachbarland über einem Jahr liegt. Das Dorf Kollund dürfte jedenfalls weiterhin als grenznahes Dorf für das Schmuggeln von NS–Literatur eine Rolle spielen. Dort hat sich inzwischern ein dänischer Waffen–SS–Mann niedergelassen, der eng mit Christophersen befreundet ist, und über Kontakte zu Neonazis in Deutschland verfügt.
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