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Hilfe gegen Völkermord in Mosambik

■ Westliche Staaten sagen neben mehr Lebensmittelhilfe auch militärische Unterstützung für die Sicherung von Entwicklungsprojekten zu / Der seit zehn Jahren andauernde Zerstörungskrieg der von Südafrika unterstützten Renamo–Banditen gegen die Bevölkerung Mosambiks macht auch vor Hilfskonvois nicht halt

Aus Maputo Hans Brandt

Die Kolonne von sieben Fahrzeugen, darunter drei Lastwagen beladen mit Getreide und Brennstoffen, hat Lichinga, Hauptstadt der Provinz Niassa im Norden Mosambiks fast erreicht. Plötzlich fliegen den Fahrern die Kugeln um die Ohren. Einem wird der Fuß zerschossen, doch er fährt totzdem weiter. Die beiden mit Benzin beladenen Tankwagen explodieren. Der Fahrer des dritten Lastwagens versucht umzudrehen. Aber eine Kugel hat seine Hand zerstört. Sein Wagen bleibt quer auf der Straße stehen und blockiert den Fluchtweg für den Rest der Kolonne. Regierungssoldaten, die eigentlich die Kolonne schützen sollten, flüchten mit Fahrern und Passagieren der übrigen Fahrzeuge in den Busch. Nach kurzer Zeit herrscht wieder Ruhe. Das Benzin brennt noch einige Stunden. Das Getreide wird von Renamo–Trägern abtransportiert. Dieses Mal traf der Angriff Lastwagen der britischen Hilfsorganisation „Oxfam“. Doch die Erfahrung teilen alle in Mosambik aktiven internationalen Organisationen. Die US–Organisation „Care“ hat im letzten Jahr 75 Lastwagen verloren, 15 Fahrer wurden ermordet oder schwer verletzt. „Die Terroristen haben nicht einmal deutlich gekennzeichnete Fahrzeuge des Roten Kreuzes verschont“, sagte der mosambikanische Präsident Joaquim Chissano letzten Mittwoch bei der Eröffnung einer von der UNO einberufenen internationalen Geberkonferenz in Maputo. „Sie verhindern, daß Lebensmittel und Medikamente, die viele Menschenleben retten könnten, ihr Ziel erreichen.“ Chissano sprach vor Vertretern von 37 Ländern, 40 internationalen Hilfsorganisationen, zehn UN–Organisationen, der EG und der Organisation für afrikanische Einheit (OAU). Insgesamt 270 Mio. Dollar an Nothilfe für Mosambik wurden bei der Konferenz noch für 1988 zugesagt. Ein internationaler Aufruf des UN–Generalsekretärs Javier Perez de Cuellar hatte für 1988 Nothilfe von insgesamt 330 Mio. Dollar bean tragt. Die Bundesrepublik sagte zehn Mio. Mark Lebensmittelhilfe und 2,6 Mio. Mark andere Hilfsgüter zu. Aufsehen erregte die Stellungnahme von Roy Stacy, Unterstaatssekretär im US–Außenministerium, der die Aktivitäten der von Südafrika ausgehaltenen sogenannten „Mosambikanischen Widerstandsorganisation“ (Renamo) scharf verurteilte. „Der Völkermord, der in Mosambik an einfachen Menschen verübt wird, ist einer der brutalsten seit Ende des zweiten Weltkrieges“, sagte Stacy. „Mit Zwangsarbeit, Hunger, körperlicher Mißhandlung und mutwilligem Mord führt Renamo einen systematischen und brutalen Krieg gegen unschuldige mosambikanische Bürger. Noch wenige Wochen vorher hatte Stacy in Washington vom „Bürgerkrieg in Mosambik“ gesprochen. Der neuen Tonart liegt eine vor zwei Wochen veröffentlichte Untersuchung des US–Außenministeriums zugrunde, die die systematische Brutalität der Renamo im Detail belegt (siehe untenstehenden Kasten). Fast sechs Millionen Menschen, mehr als ein Drittel der Gesamtbevölkerung Mosambiks von 14 Mio., sind von dem durch Renamo–Terror verursachten Notstand in Mosambik betroffen. Mehr als eine Million Flüchtlinge drängen sich in die verhältnismäßig sicheren Städte des Landes, weitere 700.000 leben in Flüchtlingslagern in den Nachbarländern, davon allein 350.000 in Malawi. Die Lebensmittelproduktion des Landes ist derart zurückgegangen, daß 2,6 Mio. Menschen in Städten mit Nothilfe versorgt werden müssen. Insgesamt hat Mosambik zur Lieferung von 914.000 Tonnen Lebensmittelhilfe 1988 aufgerufen, davon 710.000 Tonnen Getreide. Diese Mengen liegen weit unter dem international anerkannten Niveau, das eine Mindesternährung garantieren würde. Stark beschränkte Transportkapazitäten in Mosambik erlauben jedoch die Verteilung zusätzlicher Mittel nicht. Um so wichtiger ist es, Renamo–Angriffe auf Nothilfe–Transporte zu verhindern. „Wir brau chen militärische Hilfe, zum Beispiel einfache, gepanzerte Lastwagen, Radiogeräte und Schutzkleidung für unsere Fahrer“, sagt Prakash Ratilal, der für den Notstand zuständige mosambikanische Minister. Westliche Regierungen und internationale Hilfsorganisationen haben auf die Aufforderung, sich an der Sicherung ihrer Projekte zu beteiligen, zunehmend positiv reagiert. Besonders aktiv sind die Briten. Sie bilden schon seit 1985 Soldaten und Offiziere der mosambikanischen Armee in Zimbabwe und Großbritannien aus. In nächster Zeit wollen sie die Panzerung von Dampflokomotiven der Nacala– Bahn im Norden des Landes finanzieren. Für die Limpopo–Bahn, die Maputo mit Zimbabwe verbin det und deren Wiederinstandsetzung von Großbritannien finanziert wurde, wollen sie einen gepanzerten Waggon importieren. Auch Portugal bildet etwa 30 mosambikanische Offiziere in Portugal aus. Zusätzlich beschloß eine Militärdelegation der Portugiesen nach einem Besuch in Mosambik im Januar, portugiesische Militärberater nach Mosambik zu schicken, um die logistischen Fähigkeiten der mosambikanischen Armee zu verbessern. Spanien finanziert als Teil eines landwirtschaftlichen Entwicklungsprojektes die Ausbildung einer Einheit der mosambikanischen ländlichen Miliz in Spanien. Damit gehen Portugal, Spanien und Großbritannien über die von der EG im November letzten Jahres beschlossenen Richtlinien für EG–Projekte hinaus. Im Zusammenhang mit den Lome III Verhandlungen, bei denen EG–Hilfe für Länder Afrikas, der Karibik und des Pazifik koordiniert wird, stellte die EG fest, daß „die Regierung von Mosambik für die Sicherheit von Projekten verantwortlich ist“. Es wurde jedoch vertraglich festgelegt, daß „die EG ihrerseits Zivilkosten (Lebensmittel, Kleidung, Verwaltungskosten usw.) für die Einheiten übernimmt, die für die Sicherung von EG–Projekten sorgen“. Dafür können bis zu fünf Prozent der 140 Mio. Dollar EG–Hilfe an Mosambik benutzt werden. Zwei französische Militärexperten befinden sich zur Zeit in Mosambik, um Hilfsmöglichkeiten im „nicht–tödlichen“ Bereich zu untersuchen. Sogar Schweden hat letzte Woche in Maputo angekündigt, daß es seine Neutralität im Fall von Mosambik einschränken wird und in der Zusammenarbeit mit Volksmilizen und mit der Lieferung von Radiogeräten zum Schutz schwedischer Projekte beitragen wird. Nur die Bundesregierung sieht keinen Handlungsbedarf. Der Wortführer der bundsdeutschen Delegation, BMZ–Unterabteilungsleiter Herbert Linkart, hält militärischen Projektschutz für pervers: „Wir können nicht durch den Einsatz unserer Mittel auf einer bestimmten Seite Partei ergreifen für eine kriegführende Partei.“

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