Moskau–Besuch mit großem Gepäck

■ „Luftbrücke“ bringt Tafelsilber, Duschvorhänge, Reagan und einen Cadillac zum Gipfel

Aus Washington Stefan Schaaf

Die Washington Post taufte die Operation „die große Moskauer Luftbrücke“. Was die Assoziation an die amerikanischen Rosinenbomber wecken soll, die Berlin während der Blockade mit dem Lebensnotwendigsten versorgten, hat sich in den Tagen vor dem Moskauer Gipfeltreffen von Reagan und Gorbatschow wiederholt - wenn auch in etwas kleinerem Ausmaß und mit erleseneren Zutaten. Nicht mehr Kohlen, Kartoffeln und Kaugummi, sondern kalifornische Weine, Tafelsilber und Tischwäsche aus Washington sowie feinste Fressalien aus der freien Welt wurden in den letzten Tagen von Maschinen der US Air Force in die sowjetische Hauptstadt gebracht. Schließlich ist es unvorstellbar, daß Beamte der US–Botschaft die Ingredienzien des von den Reagans gegebenen Galadinners auf Moskauer Märkten erstehen würden, nicht nur wegen der beim Schlangestehen verlorenen Zeit. Selbst die Einladungen an die etwa 120 Gäste - „eine Mischung von herausragenden Persönlichkeiten aus den verschiedensten Bereichen des sowjetischen Lebens“, so Protokollchefin Linda Faulkner - wurden von Schönschreibern in Washington handgefertigt. Auch die Geräuschkulisse für das Dinner ist importiert. Geiger der US– Army sollen dezent im Hintergrund fideln, gefolgt von einem Auftritt des von Gorbatschow geschätzten Dave Brubeck Quartets. Die Gästeliste gehört ebenso wie die Speisefolge des Gipfel– Gelages bisher noch zu den Staatsgeheimnissen. Selbst Ronald Reagan wird seiner Gattin nicht entlocken können, was serviert werden soll, zumindest solange beide berücksichtigen, daß „eine gewisse Möglichkeit“ besteht, daß ihr Schlafraum in der Residenz des US–Botschafters verwanzt ist. Für die wirklich geheimen Dinge haben Reagan und seine Berater nur einen Rückzugsort: seinen gepanzerten und absolut abhörsicheren Cadillac, der mit nach Moskau geflogen wird. Um ihre Privatsphäre besorgt sind auch andere Mitglieder der präsidentiellen Entourage, die wegwerfbare Duschvorhänge mit sich bringen. Schließlich sei es nicht auszuschließen, daß sowjetische Hotelbäder mit versteckten Kameras ausgerüstet seien.