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Wie hörbar ist ein psychischer Knacks? Bayern München - TSV Siegen 0:4 / Pokal-Hattrick durch drei Tore von Silvia Neid

Wie hörbar ist ein psychischer Knacks?

Bayern München - TSV Siegen 0:4 / Pokal-Hattrick durch drei Tore von Silvia Neid

Berlin (taz) - Als der Zeichentrick-Cowboy Lucky Luck auf der Videotafel des Berliner Olympiastadions mitten im Satz abgewürgt wurde, statt dessen 22 Ball-Treterinnen auf dem gepflegten Grün erschienen und plötzlich auch noch die Nationalhymne erklang, da waren viele Fans nicht nur überrascht, sondern sauer: „Frauen und Fußball? Nee, Nee, Nee.“

Achtzig Fußball-Minuten später waren sich die Anhänger des VfLBochum und der Eintracht aus Frankfurt (schätzungsweise 25.000) einig: Das Pokal-Endspiel der Fußball-Frauen aus München und Siegen - auch wenn es eine einseitige Angelegenheit war - wurde zu einer Sache, die nicht versäumt werden durfte; selbst die Ex-Trainer und Ghostwriter -Kolumnisten Lattek und Merkel waren mit prüfendem Blick mit von der Partie.

Das Spiel selbst stand ganz im Zeichen einer Frau: Silvia Neid - der wohl besten Kickerin hierzulande. Sie endschied praktisch das Finale im Alleingang. Per Kopfball (15.Minute), mit Direktschuß kurz vor der Halbzeit (ein Volley aus 14 Metern, den viele Profi- Kicker so nicht zustande kriegen) und ein Abstauber aus dem Gewusel müder bayrischer Beine (74.) - allein die Leistung der Silvia Neid an diesem Nachmittag war das Eintrittsgeld wert.

Exakt auf den Punkt gebracht war auch ihre Spiel-Analyse nach dem Schlußpfiff: „Wir waren auf vielen Positionen einfach besser besetzt. Und letzlich spielte natürlich auch die Kraft, die Kondition eine entscheidene Rolle.“ Ihr Trainer, Gerhard Neuser, sah das ähnlich: „In diesem Spiel wurde deutlich, wie weit der Frauen- Fußball inzwischen vorangeschritten ist.“ Mit anderen Worten, es ist wie bei den Herren: Kraft geht in dieser Diziplin vor Eleganz.

Die Siegenerinnen, die ihrem Namen alle Ehre machten, lassen sich den dritten Pokal-Erfolg in Folge schließlich auch einiges kosten. Der Jahres-Etat, bei einem Zuschauerschnitt von etwa 600 pro Spiel, liegt um 125.000 Mark. Acht Nationalspielerinnen haben eben ihren Preis. Da ist es natürlich kein Wunder, daß die Bajuwarinnen aus München nicht mithalten konnten. Die enttäuschte letzte Frau, Marion Steinbrunner, gab ununwunden zu, daß die Kickerinnen von der Isar keine Chance hatten: „Bis zum 0:2 lief es noch ganz gut, dann ist ein Knacks durch unsere Mannschaft (warum nicht Frauschaft?'d.S.) gegangen. Den konnte man richtig hören.“

Damit blieb die Fußball-Abteilung der Bayern in diesem Jahr ohne Titel und Pokal. Lediglich die Turner holten eine Meisterschaft für ihren Club - Lückenbüßer für eine verkorkste Saison? Bayerns Trainerin, Cornelia Doll, ist anderer Meinung: „Wir für unseren Teil haben ein ausgezeichnetes Jahr hinter uns gebracht. Daß dieses Finale verloren ging, war absehbar. Kein Grund zur Trauer.“ Sauer ist die couragierte Frau Doll auf ihren männlichen Kollegen Jupp Heynckes: „Der hat verhindert, daß wir in München auf Rasen trainieren können. Zweimal die Woche müssen wir auf dem Kunstrasen ran.“

In Siegen hat frau andere Probleme: den Termin zu finden für eine Florida-Reise. Holger Schacht

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