: Der Bischof ist eine Frau
■ Helga Trösken (48) ist am 29.Mai in der Evangelischen Landeskirche Hessen-Nassau in ihr Amt als Probstin eingeführt worden / Sie ist Theologin, Feministin und hat mit fünf anderen Pröbsten die Leitung der Kirche
I N T E R V I E W Der Bischof ist eine Frau
Helga Trösken (48) ist am 29.Mai in der Evangelischen
Landeskirche Hessen-Nassau in ihr Amt als Probstin
eingeführt worden / Sie ist Theologin, Feministin und hat
mit fünf anderen Pröbsten die Leitung der Kirche inne, die in Hessen von Pröbsten anstelle eines Bischofs geführt wird taz: Sie sind die erste Probstin in der Bundesrepublik, das heißt die erste Frau in einem solch hohen Amt, das mit einem Bischofsamt zu vergleichen ist. Hat die Kirche dazugelernt?
Helga Trösken: Ich denke, es ist eine konsequente Entwicklung innerhalb unserer Kirche, der evangelischen. Ich glaube nicht, daß extra was dazu-gelernt werden mußte. Es hat lange gedauert, aber in der Kirche dauert manches manchmal lange. Die Zeit war reif.
Sie waren lange Zeit Pfarrerin in Langen. Wie wird man denn dann Probstin?
Indem die Kirchenleitung Kandidaten und Kandidatinnen aussucht und fragt, ob sie bereit sind zu kandidieren. Dann wählt die Kirchensynode. Ich bin im achten Wahlgang mit ganz großer Mehrheit gewählt worden.
Was sind denn Ihre Aufgaben?
Meine Aufgaben sind vor allem vier große Bereiche. Der erste ist, Pfarrer und Pfarrerinnen in neue Gemeinden einzuführen und zu koordinieren. Der zweite große Bereich ist die Konfliktregelung zwischen PfarrerInnen und den Gemeinden. Der dritte ist Seelsorge an PfarrerInnen, und der vierte ist kirchenleitende Aufgaben. Zusätzlich repräsentieren wir unsere Kirche in Frankfurt.
Das heißt, Sie beziehen sich sehr stark auf Funktionen innerhalb der Kirche. Greifen Sie denn auch in die Politik ein? Ich habe gerade von einem anglikanischen Bischof gelesen, der die Regierung Thatcher als gottlos bezeichnet hat. Würden Sie so etwas auch machen?
Ja, das ergibt sich natürlich zwangsläufig, wenn man in einer Kommune arbeitet, daß man an bestimmten Bereichen mit der aktuellen Tagespolitik konfrontiert ist und zu einem Konflikt Stellung nehmen muß. Das ist dasselbe wie im Gemeindepfarramt auch, da ist kein Unterschied.
Also öffentliche Kritik auch an der Politik?
Von Fall zu Fall wird das sicher so sein. In Frankfurt ist ja die Asylproblematik wie in Berlin sehr groß, und unser leitendes geistliches Amt, also alle Probste, haben sich dazu geäußert, gegen die herrschenden Trends. Da bin ich auf der gleichen Linie.
Würden Sie sich als feministische Theologin bezeichnen?
Das kommt darauf an, was Sie darunter verstehen. Ich verstehe einfach darunter, daß ich als Frau Theologie treibe und damit einen anderen Akzent in der Theologie setze, als Frau eben. Und zweitens lese ich mit den Augen der Frau die Bibel, und das macht auch Unterschiede. In diesem Sinne bin ich feministische Theologin.
Wie steht es denn mit dem Paragraphen 218? Was halten Sie von dem neuen Beratungsgesetz?
Ich halte es für katastrophal. Das ist ein Punkt der Politik, wo ich mich schon ganz deutlich vor Jahren geäußert habe. Ich würde den §218 abschaffen und das neue Beratungsgesetz erst recht.
Im Moment streiten sich die Grünen um eine Mindeststrafe für Vergewaltiger. Sind Sie der Meinung, daß Vergewaltigung in der Ehe bestraft werden muß? Und was muß als Mindeststrafe angestzt werden, ein oder zwei Jahre?
Ich denke, die Überlegungen für die Bemessung des Strafmaßes reichen in keinem Falle aus, weil die Folgen, die eine Vergewaltigung hat, so unübersehbar schlimm sind, daß sie durch den Knast nicht zu regeln sind. Der andere Punkt ist, daß ich ein bißchen differenziert denke in puncto Vergewaltigung in der Ehe. Sie ist schwierig nachzuweisen. Ich habe viel Eheberatung gemacht und denke, da kann man nicht so viel machen. Im Grunde bin ich eher für eine begleitende Beratung. Eine Bestrafung löst die Probleme nicht. Man braucht einfach noch ein bißchen Zeit, um zu überlegen, was nötig ist.
Würden Sie denn sagen, daß die grüne Fraktion sich richtig verhalten hat, als sie gesagt hat, sie könne sich erst mal nicht einigen und das öffentlich gemacht hat?
Ja. Es ist das ein Punkt, der so schwierig ist. Auch die Beweislage ist schwierig bei unseren geltenden Strafgesetzen. Da muß noch mehr, auch mit Fachleuten, darüber verhandelt werden, was nötig und möglich ist. Es geht mir gleichwohl auch um den Schutz der Frauen, aber es muß eine Lösung geben, ein Gesetz, das auch durchzuführen ist.
Sie haben weiterhin gesagt, Sie wollen sich für die Probleme ausländischer Frauen einsetzen.
Das habe ich schon immer gemacht. Ich habe in Langen über lange Jahre mit ausländischen Frauen zusammengearbeitet. In Frankfurt laufen eine ganze Reihe von Initiativen wie z.B. Initiativen für thailändische Frauen. Ich kann sie finanziell oder moralisch unterstützen. Wenn die Probstin aus Frankfurt sich für die Frauen interessiert und da und dort auch darüber redet ... Das sind ja Frauen, die werden in der Öffentlichkeit sonst totgeschwiegen.
Haben Sie nicht als Pfarrerin eine größere Freiheit gehabt als jetzt als Probstin? Müssen Sie nicht jetzt bestimmte Anpassungsprozesse leisten?
Das sehe ich nicht ganz so schwarz-weiß. In der ersten Zeit werde ich mich ein klein bißchen mehr zurückhalten müssen, als ich das als Gemeindepfarrerin nach achtzehn Jahren Vertrauen in einem Ort konnte. Aber mein Vorgänger war auch sehr profiliert, auch politisch, also in der Hinsicht ist das nicht so dramatisch. Wenn erst einmal das Vertrauen da ist, dann muß Anpassung nicht unbedingt heißen: Ich sage nichts mehr. Das würde meinem Naturell nicht entsprechen.
Was würden Sie sich denn wünschen als jetziges Ziel, oder welche Vorstellung haben Sie von dem, was Sie erreichen wollen?
Für mich wäre schon sehr viel erreicht, wenn sich durch mich andere Frauen ermutigt fühlten, in ihren Bereichen ein bißchen mehr Verantwortung zu übernehmen und nicht immer zu sagen: „Das kann ich nicht.“ Und ich hoffe auch, daß Männer merken, daß Frauen in hohen Kirchenämtern nicht unbedingt den Untergang der Kirche bedeuten.Das Gespräch führte Maria Neef-Uthoff
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