: Die erste Verantwortung eines SPDlers gilt dem SFB
■ Interview mit Dietrich Stobbe (SPD) über Berechtigung und Sinn des Rias-Fernsehkanals und seinen Beitritt zum Beirat
Die erste Verantwortung eines SPDlers gilt dem SFB
Interview mit Dietrich Stobbe (SPD) über Berechtigung und
Sinn des Rias-Fernsehkanals und seinen Beitritt zum Beirat
taz: Herr Stobbe, Sie wollen dem neu geschaffenen Beirat des Rias TV nun doch nicht beitreten?
Stobbe: Es ist so, daß ich vorerst nicht beitreten will. Aus der Berliner Presselandschaft heraus gibt es keine Klage gegen Rias TV. Ich möchte zunächst einmal abwarten, bis diese Rechtsfragen geklärt sind. Sie verbinden sich ja mit Bedenken, die meine Partei auch immer wieder vorgetragen hat. Es sind drei Hauptpunkte: Wir gehen allgemein davon aus, daß es der Sendeauftrag des Rias ist, die DDR -Bevölkerung mit Nachrichten und Informationen zu versorgen, das Rias TV ist aber beschränkt auf den Großraum Berlin. Vollversorgung der DDR-Bevölkerung findet nicht statt, und es ist zweifelhaft, ob Steuergelder für ein solches Vorhaben gegeben werden dürfen. Das zweite Bedenken richtet sich dagegen, daß der vorgesehene Kanal25 auch genutzt wird von Sat1, einem vorwiegend von Verlegern getragenen Privatsender. Die Befürchtung ist, daß das gewissermaßen offiziellere Rias TV dazu dient, Sat1 hochzubringen. Drittens, Rias TV kann auch eine Gefahr für den SFB bedeuten, der ja finanziell gesehen nicht gerade in bester Verfassung ist. Er würde Konkurrenz von einem anderen Sender in Berlin bekommen, der vielleicht sogar, viertens, die Absicht entwickeln könnte, von hier ins Bundesgebiet auszustrahlen. Dagegen stünden dann auch Verfassungsbedenken an. Diese Zweifel machen mich sehr skeptisch, der Aufforderung vom US-Chairman, einem solchen Beirat beizutreten, nachzukommen. Auf der anderen Seite wissen wir um die Verdienste des Rias Hörfunk. Er wird allen sozialdemokratischen Anforderungen an Ausgewogenheit, Informationsfreudigkeit gerecht. Rias-Radio ist etwas, was wir unbedingt behalten wollen. Ich möchte keinen Schritt gehen, der irgendwo die Anstalt selbst in Mißkredit bringt. Deswegen bin ich ein bißchen zwischen Baum und Borke. Die endgültige Entscheidung treffen wir im SPD-Landesvorstand, nachdem die Gerichte gesprochen haben.
Eine Entscheidung scheint dringend erforderlich. Bei der SPD weiß man nicht mehr, was die eine Hand (Dietrich Stobbe), die andere (Niels Dietrich) und die dritte tut (Prof. Huhn)?
Gott sei Dank ist es ja nicht so, daß alle Entscheidungen auf einen einheitlichen Parteiwillen stoßen müssen. Ich bin vom US-Chairman als Person aufgefordert worden, in den Beirat zu gehen. Ich habe aber gesagt, ich gebe meine Arbeit nicht als Person, sondern im Benehmen mit der Berliner SPD, die natürlich die Gesamtlage beobachten muß. Neu ist, daß der 'Tagesspiegel‘ als wichtigstes Presseorgan in der Stadt sich von diesen TV-Plänen bedroht fühlt. Insofern ist es doch nur natürlich, daß man Entscheidungen zurückstellt und abwartet, wie die Rechtslage gerichtlich festgestellt wird. Danach wird man weitersehen. Eile habe ich nie gehabt. Das habe ich von Anfang an gesagt, ich würde die Situation gründlich prüfen, ehe ich mich in einen Beirat wählen lasse, der in sich selbst auch schon genügend Probleme aufweist, was Kompetenz, Entwicklungs- und Einflußmöglichkeiten angeht. Ich laß mich also von keiner Seite unter Druck setzen und werde meine Entscheidungen dann treffen, wenn sich herausstellt, daß trotz der sehr kritischen Haltung der SPD das Vorhaben in die Tat umgesetzt wird. Von dem Moment an, muß man fragen, ob man auf ein angebotenes Kontrollinstrument verzichten soll. Zum jetzigen Zeitpunkt sehe ich aber noch den Kampf um Rias TV. Das Problem ist, soll es dieses Fernsehen überhaupt geben? Zu Anfang, als andere es vor zwei Jahren in Gang gesetzt haben, habe ich mich schon kritisch dagegen geäußert. Mit einer solchen Haltung würde ich auch in den Beirat gehen. Die erste Verwantwortung eines SPD-Mannes muß dem öffentlich -rechtlichen System in unserer Stadt gelten, das ist der SFB, ohne Zweifel.
1975 hat das Oberverwaltungsgericht Berlin Subventionsdarlehen, die der SPD-Senat an den 'Telegraf‘ zahlte, an das 'Volksblatt‘ und den 'Abend‘ als rechts- und verfassungswidrig eingestuft. Sie waren damals Fraktionsgeschäftsführer der SPD. Schon damals war der 'Tagesspiegel‘ in seiner Klage gegen die Regierung erfolgreich.
Wir waren davon überzeugt, daß die kleineren Verlage dringend einer Förderung bedürfen. Die Bundesregierung stellte Gelder zur Verfügung, für die kleinen, gegen den Großen in Berlin, um es mal platt zu sagen. Dagegen hat der 'Tagespiegel‘ Front gemacht und geklagt. Vielleicht waren wir damals zu naiv. Es war ein junges Thema, Pressefreiheit, innere Pressefreiheit, Pressekonzentration. Wir wollten einen Beitrag zur Aufrechterhaltung der Pressevielfalt leisten.
Warum hat die Bundesregierung so ein starkes Interesse an dem Sender?
Fest steht nur, es sind die Gelder bewilligt worden, es gibt den amerikanischen Wunsch, daß Rias sich im Fernsehbereich engagieren soll, und ganz offensichtlich wird das ganze gestützt vom Berliner Senat, ganz offensichtlich sind die marktbeherrschenden Presseverlage von Sat1 daran interessiert. Diese Machtkonstellation ist mir an sich für ein Fernsehen schon zu groß.
Wie wollen Sie die mit dem Beirat kontrollieren?
Ich kenne das amerikanische Recht. Daß in den Richtlinien wenig über Kompetenzen gesagt wird, sehe ich eher als vorteilhaft an. Der Beirat kann sie sich so in der Auseinandersetzung mit den leitenden Angestellten des Rias erarbeiten. Wenn er einmal da ist, wird er nicht nur begleitende Funktion haben, sondern auch mitten hineingehen in die Entscheidungsprozesse, nicht in die journalistischen, sondern: nachgehende Protokolle und Überprüfungen für das, was inhaltlich angepackt werden soll.
Die Amerikaner, heißt es, hätten mit dem Rias TV lieber gleich einen ganzen Kanal belegt?
Also, ein 24-Stunden-Programm, das ist mir nicht bekannt. Charles Wick als Leiter der amerikanischen Informationsbehörde hat große Fernsehpläne für die Amerikaner rund um die Welt gehabt. Aber wir müssen nun auch ein Stück Vertrauen haben. Voice of America und Rias hängen gewiß eng zusammen, aber dennoch entscheiden die deutschen Journalisten, was aus diesem Regierungsprogramm der USA stückweise im Rias übernommen wird.
Auch wegen der mangelnden Staatsferne?
Der Sender steht unter amerikanischer Oberhoheit, erhält gewisse amerikanische Mittel und wurde im wesentlichen aus dem Haushalt des Ministeriums für innerdeutsche Beziehungen bezahlt. Er hat die Aufgabe übernommen, die DDR-Bevölkerung mit Informationen und Meinungen aus der westlichen Welt zu versorgen. Das Programm heute im Hörfunk erfüllt die Anforderungen, die wir an öffentlich-rechtliche staatsferne Anstalten stellen. Aber Rias TV verändert die Pressestruktur in Berlin, das ist der Kernpunkt der Diskussion, die Beziehung von Rias TV zum öffentlich-rechtlichen SFB und zu den Zeitungsverlagen.Das Gespräch führte Benedikt M. Mülder
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