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"Mit Nadelstichen den Kapitalismus weichkriegen"

■ Gianni P. von den COBAS der Gymnasiallehrer zu den Zielen der comitati di base

I N T E R V I E W „Mit Nadelstichen den Kapitalismus weichkriegen“

Gianni P. von den COBAS der Gymnasiallehrer zu den Zielen

der „comitati di base“

taz: Gianni, es ist ja mächtig schwer, jemanden von euch als verbindlichen Gesprächspartner herzubekommen. Habt ihr Angst vor Klarheit?

Gianni P.: Nein, aber vor neuen sogenannten „Arbeiterführern“. Basiskomitee heißt ja gerade, daß man keine institutionalisierten Führer hat, sondern für jeden Anlaß kurzfristig gewählte Sprecher. Darüber hinaus wollen wir auch Repressionen gegen unsere Sprecher vermeiden. Kannst du im Augenblick dennoch für dein COBAS sprechen?

Soweit es den derzeitigen Zeugnisstreik und die Forderung nach Verhandlungen mit der Regierung geht, ja.

Uns interessiert zunächst wer ihr denn seid, wie ihr euch zusammensetzt.

Das ist für jeden Bereich ganz unterschiedlich. Bei uns, in der Schule, gibt es viele ehemalige 68er, dann Teilnehmer der Revolten der siebziger Jahre. Aber auch viele eher konservative, die sich in der Hoffnung betrogen sehen, daß man die Regierung wieder mal von der Wichtigkeit des Schulsektors überzeugen könnte. Bei den COBAS der Fluggesellschaften politisiert sich derzeit die lange Zeit sozial unempfindliche technische Intelligenz, bei der Eisenbahn sind es die Facharbeiter...

Alles in allem aber doch Mittelschichten, nicht die 'klassischen‘ Arbeiter...

Na, dann denk mal an die Zugführer, die Schaffner...

Auch die sind doch alle fest angestellt, also in sicherer Position...

Das Subjekt der Bewegung hat sich geändert.

Da spricht der 40jährige Ex-Lotta-Continua-Mann.

Mag sein. Es kommen ja auch viele Themen der damaligen Zeit wieder auf.

Zum Beispiel?

Die Frage nicht nur einer Teilhabe am nationalen Reichtum, sondern vor allem eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen selbst. Zum Beispiel: Wir fordern nicht nur mehr Gehalt ein Schulleiter bekommt derzeit gerade 1,2 Millionen Lire (1.600 Mark brutto) -, sondern endlich trockene Schulräume, Ausstattungen für den Physik- und Chemie-Unterricht, EDV -Lehranlagen, dazu sinnvolle Lehrpläne usw.

Bisher seid ihr stark nur im Dienstleistungssektor. Die Industriellen tönen, daß ihr ihnen mit euren Mitteln nichts anhaben könnt, weil ihr damit - ich zitiere Fiat-Manager Romiti - „nicht wie im öffentlichen Sektor das Publikum erpressen“ könnt.

Wir erpressen niemanden, aber wir ermuntern den Bürger, Druck auf die Regierung auszuüben. Alarmiert sind die Manager allemal - die Transport-COBAS haben zum Beispiel gezeigt, daß sie mit ihrem Ausstand auch den Warenverkehr blockieren können. Und das trifft auch die Fabriken ins Mark. Man kriegt auch sie mit Nadelstichen weich.

Wie geht es nun weiter? Zuerst die Anerkennung als Tarifpartner, dann hinein in die Bürokratisierung?

Die Anerkennung als Vehandlungspartner ist für uns lediglich ein Instrument zum Vortragen unserer Forderungen, nicht Selbstzweck. Wenn unsere Arbeitgeber die Forderung ohne formale Anerkennung der COBAS erfüllen, soll's uns auch recht sein. Angst vor Bürokratisierung? Bisher nicht. Es gibt noch so vieles, was man im Rahmen von COBAS-Aktionen wird durchsetzen müssen, Arbeitszeitverkürzung, Anstellung von mehr Personal für eine effiziente Arbeit in unserem Bereich tarifliche Gleichstellung aller in der Schule Beschäftigter, Abbau sinnloser Hierarchien. Eine Verknöcherung unserer Strukturen wird sich da auf absehbare Zeit nicht einstellen, allenfalls die Entwicklung neuer Kampfformen.Werner Raith

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