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"Optimistische Tragödie"

Berlin, Anfang der siebziger Jahre. Kampagne gegen BVG Fahrpreiserhöhung, der Streik der Studenten auf dem Höhepunkt. Die ersten Auflagen von „Dem Volke dienen“ sind bereits vergriffen, die Erstausgabe der 'Roten Fahne‘ wird zugunsten der Vietnamhilfe versteigert. Im überfüllten Audi -Max der Technischen Universität gibt die Schaubühne eine Sondervorstellung, die „Märzstürme 1921“. Wenn es im Stück gegen die konterrevolutionäre SPD von Noske und Ebert geht, gibt es einhelligen, jubelnden Beifall vom Publikum, frisch kampferprobt durch die Auseinandersetzung mit dem Berliner SPD-Senat; fraktionärer Beifall unterstützt die Schauspieler; es geht im Stück um die differenzierte Darstellung der Probleme einer im Aufbau befindlichen KPD. Die 'Sozialistische Zeitschrift für Kunst und Gesellschaft‘ widmet Stück und Aufführung eine Dreifach-Nummer und schreibt in der Einleitung: „Mit diesem Heft wollen wir auf eine Arbeit hinweisen, die zeigt, daß es auch unter den Bedingungen der Bundesrepublik möglich ist, eine revolutionäre Kulturarbeit in Angriff zu nehmen.“ „Eine Arbeit wie diese mußte getan werden, entsprechend dem linken Standort, den man einnahm. Aber es hätten auch weniger Begabte sie tun können“, resumiert Jahre später ein Theaterkenner und bezieht sich auf die Creme der deutschen SchauspielerInnengarde, deren 25jährige Arbeit wochen- und stückeweise Eins plus ins Gedächtnis zurückruft. Die Premiere der „Märzstürme“ vom März 1972 gehört als „glanzloses Zielgruppen-Projekt“ nicht zur Retrospektive, wohl aber das einen Monat später uraufgeführte, klassisch -sozialistische Stück von Wischnewski in einer Aufzeichnung aus dem Jahre '74, als die Schaubühne sich längst schon auf Grübers „Bakchen“ eingespielt hat. „Optimistische Tragödie“ Eins Plus, 20.15 Uhr

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