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Richter müssen bereit sein, sich den schweren Aufgaben zu stellen

■ Auszüge eines Protokolls der Arbeitsgemeinschaft II der Gewaltkommission vom 15. März 1988

D O K U M E N T A T I O N Richter müssen bereit sein, sich den schweren Aufgaben zu

stellen

Auszüge eines Protokolls der Arbeitsgemeinschaft II der

Gewaltkommission vom 15. März 1988

(...) Professor Schmidt-Jortzig stellte dar, er halte es für sinnvoll, z.B. den Meldedienst, der reisende Gewalttäter erfaßt, in seiner Anwendung zu intensivieren.

Die Polizei stellte fest, daß dies auch im wesentlichen versucht werde, jedoch noch große Effektivitätsmängel vorhanden sind. Nicht alle Bundesländer sind an den Meldedienst „Landfriedensbruch und verwandte Straftaten“ angeschlossen, und aus der Handhabung entstehen nach Auffassung mancher nicht unbedeutende Datenschutzprobleme.

Bisher seien ca. 1.700 Personen erfaßt und von diesen 100 als reisende Täter kategorisiert. Diese Zahlen, die sicher nicht voll den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen, kämen deswegen zustande, weil große Unsicherheiten im Umgang mit dem Meldedienst bestünden und er daher auch schleppend gehandhabt wird.

PD Bernhard berichtete von guten Erfahrungen mit diesem Instrument. Meldediensterkenntnisse könnten schon im Vorfeld zu einer Festnahme als Anscheinsstörer führen, während für eine Festnahme nach Paragraph 125 Abs. 2 StGB (Landfriedensbruch) schon Gewalttätigkeiten geschehen sein müssen. Ist es aber erst einmal zu gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen, müsse aufgelöst werden, zur Beweissicherung bestehe dann keine Möglichkeit mehr.

Im folgenden erläuterte Professor Otto die seiner Meinung nach wesentlichen Gesichtspunkte: Er stellte einen tendenziellen Wertewandel fest; Gewalt werde, wie das Beispiel Hafenstraße zeige, salonfähig; dem gelte es entgegenzuwirken und geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Der Paragraph 125 Abs. 2 StGB sei zwar unökonomisch, eine Beschleunigung der Verfahren würde jedoch zu einer grundsätzlichen „Umkrempelung“ des gesamten Verfahrensrechts führen. Ein gangbarer Weg sei etwa die Einführung der verdeckten Zeugenvernehmung, um diese Personen durch Nichtbekanntwerden ihrer Identität vor Angriffen und Bedrohung zu schützen.

Um dies zu erreichen und einen grundsätzlichen Bewußtseinswandel einzuleiten, müßten konkrete Verurteilungszahlen und genaue Zahl der Gewalttaten festgestellt werden. Nur dann könne einer entsprechenden Argumentation die empirische Grundlage gegeben werden. Eine Statistik wäre auch deshalb vonnöten, da ansonsten der Umfang politisch motivierter Gewalt nicht genau eingeschätzt werden könne. Solange keine genauen Zahlen zu belegen sind, erscheint diese Gewaltform partiell zu gering, um Initiativen der Legislative zu forcieren.

Im folgenden wurde nochmals auf die Rolle der Justiz im Verfahren eingegangen. Professor Krey nannte hier die Möglichkeit des Paragraphen 68 S. 2 StPO, wonach der Richter dem Zeugen erlauben kann, seinen Wohnsitz nicht zu nennen, wenn er dadurch persönlich in Gefahr kommt. Zum anderen könne psychischer Druck durch die Zuschauer durch Ordnungsmittel wie Ordnungshaft vermieden werden. Die Richter müssen nur wieder Mut zum Druchgreifen zeigen und sich nicht dem Zeitgeist beugen, sondern sich darauf besinnen, daß das Recht die letzte große Autorität sei, die im Wandel der Zeit übrig geblieben ist.

Seine Zielvorstellungen waren: 1) Gesetzesänderungen und 2) eine Reform der Strafjustiz in der Weise, daß die Strafkammern auch tatsächlich mit den Richtern besetzt werden, die bereit sind, sich der schweren Aufgabe zu stellen, und (die anderen den Zivilkammern zuzuweisen).

Von der Polizeiseite wurde im folgenden die Auffassung vertreten, daß der Polizeizeugen vor Gericht alleingelassen werde und manche Richter ein Klima des Terrors in den Verhandlungen aufkommen ließen und zwar dadurch, daß sie nicht in gebotenem Maße gegen aggressives Verhalten von Verteidigern und Zuschauern vorgingen. Wenn dann der Druck zu groß werden, „griffen einige Richter gerne nach dem Strohhalm der Beweisnot und sprächen frei“. Dr. Wassermann dagegen sah die gegenteilige Reaktion der Richter als die Norm an, nämlich daß diese auf aggressives Verhalten in der Mehrheit härter reagieren. Heute sei auch nicht mehr von dem braven und angepaßten Anwalt auszugehen, sonden von einer geschulten und persönlich engagierten Anwaltschaft.

Dr. Helmken schilderte hier seine persönlichen Erfahrungen, geprägt durch die örtlichen Bedingungen Heidelbergs und Mannheims. Auch er konnte die Beobachtung bestätigen, daß es einen Unterschied darstelle, ob ein volles oder leeres Auditorium vorhanden sei und ob der Richter mit viel Widerstand der Verteidigung rechnen müsse oder nicht, ob er mit weiteren Beweisanträgen konfrontiert werde, die das Verfahren weiter hinauszögern.

Die Polizei stellte hier ebenso fest, daß die richterliche Entscheidung von der konkreten Prozeßsituation und der Persönlichkeit des Richters abhängig ist. PD Baderschneider konnte aus seiner Erfahrung allerdings keine Unterschiede in der Verfahrenshandhabung nach Alters- oder Geschlechtszugehörigkeit der Richter feststellen. Der Schutz von Zeugen sei zwar noch gewährleistet, aber tendenziell abnehmend. (...) Dem polizeilichen Zeugen würden Fragen gestellt, die er objektiv nicht beantworten könne oder in den Aufgabenbereich des Einsatzleiters gehörten. Um einer Beweisnot entgegenzuwirken, wurde eine verstärkte „Beweiszufuhr“ zu dem justiziellen Verfahren gefordert. Die Beweissicherung solle hier weiter in den Vordergrund gestellt werden. Ein nicht geeignetes Mittel hierfür sei aber der Paragraph 125 Abs. 2 StGB in seiner jetzigen Fassung. Danach ist es den Teilnehmern einer gewalttätigen Demonstration freizustellen, Waffen und Vermummung abzulegen oder sich zu entfernen. (...)

Der Vorsitzende schloß mit Dank an die Teilnehmer die Sitzung.

Mitglieder der Arbeitsgruppe II - Gewaltkommission: Ltd. MinRat Dr. R. Böttcher, Justizministerium Bayern, München; Polizeipräsident Dr. Karlheinz Gemmer, Frankfurt; Hans -Werner Hamacher, Präsident a.D. des LKA NRW; Prof. Dr. Hermann Hill, Hochschule für Verwaltungswissenschaften, Speyer; Prof. Dr. Volker Krey, Richter am OLG Koblenz, Universität Trier, Fachbereich Rechtswissenschaften; Prof. Dr. Edwin Kube, Kriminalistisches Institut des BKA Wiesbaden; Prof. Dr. Dr. Kristian Kühl, Justus-Liebig -Universität Gießen; Prof. Dr. Harro Otto, Universität Bayreuth; Prof. Dr. Walter Rudolf, Johannes-Gutenberg -Universität Mainz; Prof. Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel; MinRat a.D. Dr. Gernot Steinhilper, Kassenärztliche Vereinigung Westfalen -Lippe, Dortmund; Dr. Wiebke Steffen, Bayerisches LKA München; Landespolizeipräsident Dr. Alfred Stümper, Innenministerium Baden-Württemberg Stuttgart; Bundesanwalt G. Völz, beim Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof Karlsruhe; Dr. R. Wassermann, Präsident des OLG Brauchshweig

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