: SPD: Wegen schnellem Brüter vor Gericht
Nordrhein-westfälische Landesregierung will Bundesregierung wegen „verfassungswidriger“ Weisungen zum Genehmigungsverfahren verklagen / Prüfverbot der Konsequenzen aus Tscherbobyl-Unfall ■ Aus Düsseldorf J.Nitschmann
In der Auseinandersetzung um das Genehmigungsverfahren für den umstrittenen Schnellen Brüter in Kalkar will die nordrhein-westfälische SPD-Landesregierung vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ziehen, um dort die Bundesregierung wegen „verfassungswidriger“ Weisungen an die Genehmigungsbehörde zu verklagen.
Der für das Genehmigungsverfahren zuständige nordrhein -westfälische Landwirtschaftsminister Reimut Jochimsen (SPD) erklärte am Freitag vor der Presse in Düsseldorf, er habe der Weisung des Bundesministers für Reaktorsicherheit, Klaus Töpfer (CDU), „umfassend widersprochen“, weil sie unter anderem ein „Prüfverbot“ der Konsequenzen aus dem Tschernobyl-Unfall für den SNR 300 enthalte. Falls diese bundesaufsichtliche Weisung nicht bis zum 3.November dieses Jahres zurückgezogen wurde, bleibe der Landesregierung nichts anderes übrig, als dagegen vor dem Bundesverfassungsgericht zu klagen. „Ich kann und werde es nicht hinnehmen zu können, wenn von uns als Genehmigungsbehörde für den Schnellen Brüter in Kalkar verlangt wird, Abstriche an der im Interesse der Bürger zwingend gebotenen Sicherheitsvorsorge vorzunehmen“, sagte Jochimsen.
Bereits unmittelbar vor der Pressekonferenz Jochimsens meldete sich Bundesumweltminister Töpfer zu Wort und sprach sich in einer Erklärung überraschend dafür aus, „angesichts der weitreichenden Bedeutung dieser Rechtsfrage für das gesamte Atomrecht den vom Grundgesetz vorgesehenen Weg zum Bundesverfassungsgericht zu beschreiten.“ Wenn die Landesbehörde „grundsätzliche Bedenken“ gegen die bundesaufsichtliche Weisung habe, müßten diese verfassungsgerichtlich geklärt werden. Zu „fruchtlosen Diskussionen“ zwischen den beiden Behörden, sei er nicht bereit, erklärte Töpfer. Die von Jochimsen gegen die Weisung vorgebrachten Einwände seinen „unberechtigt und in der Sache nicht neu“. Dagegen kritisierte Jochimsen die darin enthaltene Aufforderung, ausgerechnet für den Schnellen Brüter von der beabsichtigten Vergabe eines Sachverständigengutachtens über die Folgen des Tschernobyl -Unfalls Abstand zu nehmen. Dabei sei es völlig unstrittig, daß der Brutreaktor „physikalische Eigenschaften“ habe, die auch in Tschernobyl wirksam geworden seien. So würde die Reaktorleistung in Kalkar bei einem Versagen aller Sicherheitseinrichtungen - wie beim Tschernobyl-Unfall explosionsartig ansteigen und in weniger als einer Sekunde zur Zerstörung des Reaktorkerns führen. Hinzu komme, daß es dabei durch das radioaktive Natrium zu schweren Bränden wie bei dem Graphit-Brand in Tschernobyl - kommen könne, sagte Jochimsen. Der Wirtschaftsminister bezeichnete die Anordnung von Töpfers vor allem als „verfassungswidrig“, weil sie der gesetzlichen Verpflichtung der Genehmigungsbehörde entgegenstehe, „Schäden von Leib, Leben und Gesundheit der Bürger abzuwenden“. Seine Genehmigungsbehörde sehe sich ohne das sogenannte „Tschernobyl-Gutachten“ außerstande, bei der vorliegenden 18.Teilerrichtungsgenehmigung für den inzwischen 7,5 Milliarden Mark teuren Brüter ein dafür notwendiges „positives Gesamturteil“ abzugeben, das im Septemter 1986 wegen schwerer Sicherheitsbedenken suspendiert worden war. Siehe Kommentar
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