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Massenflucht zum Frühstück

■ Die Flucht nach Osten im Spiegel der internationalen Presse

Für den amerikanischen 'Herald Tribune‘ war es am Samstag das Aufmacherfoto; und der Texter brachte die news im ersten Satz: „Die erste Massenflucht nach Osten seit der Teilung Berlins.“ Der Ort dieses „bizarren“ Geschehens hieße „Lenne-Triangle“. Dann wird es sentimental und poetisch: „Das vier Hektar große Gelände befindet sich an der Stelle, wo früher der Potsdamer Platz gewesen ist; das pulsierende Herz des alten Berlin, wo diamantbehangene Erbinnen Tee im Cafe Kranzler tranken.“

Die 'Frankfurter Allgemeine Zeitung‘ leitartikelt auf der Seite 1. Unter der Überschrift „Aufgeräumt“ wird Kewenig gelobt, der „klugerweise nicht lange gewartet“ hat, weil das „nur zur Gewöhnung an eine unangebrachte Toleranz und an eine Verbiegbarkeit der Rechtsordnung geführt hätte“. Die 'FAZ‘ haut im letzten Absatz nochmal auf die deutsche Einheitskacke: „Aber ob die angeblichen Pläne, längs der Mauer eine neue Schnellstraße zu bauen, richtig sind, ist aus anderen Gründen zu bezweifeln: Solche Querverbindungen in West-Berlin sind sicher nützlich; sie laufen aber auch darauf hinaus, daß die Teilung der Stadt leichter zu ertragen ist und damit eher akzeptiert wird.“

Das italienische Pendant zur 'FAZ‘, der konservative 'Corriere della Sera‘, bringt auf Seite 5 ein zweispaltiges Bild mit halbfetter Unterschrift: „Die Mauer überwinden, das die beiden Deutschlands trennt: Das ist ein Traum, der von vielen Ostdeutschen gehegt wird. Aber gestern ist genau das Gegenteil passiert...“ Während die Springer-Presse für die BesetzerInnen nur die Synonyme „Chaoten“, „Rechtsbrecher“ und „Gewalttäter“ übrig hat, heißen die Kubaxlinge auf Italienisch immerhin „Ecologisti“ - Ökologisten.

Weil die 'Berliner Morgenpost‘ wegen ausgefallener Straßenschlacht keine Autonomen geißeln kann, muß der neue AL-Pressesprecher Stefan Noe dran glauben: „Einige militante Krawallmacher hätten gerne eine richtige Lenne-Schlacht inszeniert... Dies mißlang genauso wie der Versuch eines AL -Sprechers, sich inmitten der Budenstadt als Staatsmann zu profilieren.“

Das SEW-Blatt 'Die Wahrheit‘ schließlich ist einmal, ein einziges Mal, mit einem Mauerthema glücklich. „DDR half Jugendlichen“ trompetet sie in fetten Lettern auf der Seite 1. Die Presseerklärung des SJV Karl Liebknecht wird im dritten Absatz zitiert: „Ein besonderer Dank gelte den Grenzorganen der DDR, die durch ihr besonnenes Verhalten zur Entspannung der Lage beitrugen.“ Und weil die Flucht von West nach Ost das ist, wovon die SEW schon immer träumte, genehmigt sich die Autorin in der Reportage dazu ein Glas Nöstchen: „Erhei terung löste das Geburtsdatum eines am 13. August Geborenen (bei den Grepos während des Frühstücks, die Red.) aus.“

C.C. Malzahn

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