: Ufos als Heinzelmännchen
■ „Das Wunder der 8.Straße“ von Matthew Robbins ist eher ein Popcornmovie als ein Film, mit allen Elementen der Spielberg'schen Erfolgsrezepte: Man muß ihn trotzdem mögen
Im Amerikanischen gibt es einen feinen Unterschied zwischen movies und films: Movies sind die Unterhaltungsfilme, bei denen man Unmengen von Popcorn ißt und sich amüsiert - films sind die anspruchsvolleren Werke, die einen Regisseur nicht nur reich, sondern auch als Künstler bedeutend machen können. Sein Geld hat Steven Spielberg mit movies gemacht - jetzt will er reifere Filme mit Anspruch drehen und endlich einen Oskar ergattern. Deshalb führt er nur noch Regie bei films wie „Die Farbe Lila“ und „Das Reich der Sonne“. Aber Spielberg will sein altes Publikum nicht verlieren, und als Executive Producer bringt er weiter movies auf den Markt, die oft mehr von Spielbergs persöhnlichem Stil und Weltbild zeigen, als seine „erwachsenen“ Werke. Das Sentimentale, Naive und etwas Infantile, das er auch aus seinen films nicht herausbekommt und sie so zu peinlichen Zwittern macht, ist in seinen Unterhaltungsproduktionen genau richtig aufgehoben.
„Das Wunder in der 8.Straße“ ist die erste Regiearbeit von Matthew Robbins, und auch als Dreh
buchautor ist Spielberg nicht genannt, aber die Elemente des Spielberg'schen Erfolgsrezept sind alle da: Die unheroischen Durchschnittsamerikaner, die durch ein Wunder zu Helden werden und die gütigen, zugleich mächtigen und schwachen Außerirdischen, die jeder gernhaben muß.
Die armen Menschlein sind diesmal fünf Bewohner eines New Yorker Mietshauses, das abgerissen werden soll, um einem Wolkenkratzer Platz zu machen. Seit dem Erfolg von „Cocoon“ ist es in amerikanischen Filmen möglich, alte Menschen in Hauptrollen einzusetzen, und direkt aus diesem Film hat Spielberg Hume Cronyn und Jessica Tandy übernommen. Sie spielen den Pächter eines Cafes und seine schon sehr wunderliche Ehefrau. Ihre Nachbarn sind eine schwangere, alleinstehende Mexikanerin, ein erfolgloser Künstler und ein völlig isoliert lebender Schwarzer. Während die Abbruchkolonne schon vor der Tür steht, weigern sich die fünf auszuziehen, obwohl die Grundstücksfirma durch Schlägertrupps die Wohnungen
und das schöne alte Cafe zerstören läßt. Der alte Mann betet nachts an seinem Bett um Hilfe - die religiösen Elemente in Spielbergs Comic-Book-Mythologie werden hier so unverschlüsselt gezeigt wie selten vorher: die Erlöser kommen aus dem Himmel. Diesmal als ein Pärchen kleiner Raumschiffe. Eins sieht aus wie das Ufo in „Close Encounter“, es ist allerdings nur so groß wie eine Radkappe.
Mit ähnlichen Tricks wie bei E.T. bekommen die Außerirdischen menschliche und sympathische Eigenschaften: das „weibliche“ Raumschiff hat großen Augen und ist aus etwas runderem Blech. Es gebärt sogar kleine Uföchen und bringt ihnen im Treppenhaus das Fliegen bei. Ihre hervorstechenste Eigenschaft ist aber, daß sie alles wieder heilmachen können: eine zerbrochene Uhr tickt nach wenigen Sekunden wieder und immer wenn die Rowdies nachts die Wohnungen verwüsten, ist am nächsten Morgen alles wieder repariert und an seinem Platz.
Das ist alles furchtbar anrührend und harmonisch erzählt
sogar der Anführer des Zerstörungstrupps wird am Ende geläutert in die neue Familie aufgenommen. Und natürlich ist dies ein trivialer und kindlicher Film, ohne jeden weiteren Anspruch und nicht einmal besonders originell. Er basiert auf einer 30 Minuten langen Episode aus Spielbergs TV-Serie „Amazing Stories“ und hat einige Längen, bei denen deutlich zu merken ist, wie die Story gedehnt wurde. Trotzdem ist es schwer, den Film nicht zu mögen. Die zärtliche Komik, mit der die Filmfiguren geradezu gestreichelt werden, erinnert an die sozialen Märchen von Frank Capra. Es mag einem hinterher peinlich sein, aber man wird gut unterhalten, und die Ufos sind wirklich ganz süß. Nur schade, daß an den Thresen von deutschen Kinos das Wichtigste fehlt, denn „Das Wunder der 8.Straße“ ist ein Popcornmovie.
Wilfried Hippen
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