DGB auf Sparflamme

Die Organisationsreform des DGB  ■ K O M M E N T A R E

Der DGB ist eine Behörde, bürokratisch und staatstragend. Politik betreibt sie dadurch, daß ein hierarchischer Apparat verwaltet und täglich in Form von Presseerklärungen Einflußnahme parodiert. Organisationsreform kann, das liegt auf der Hand, in einer solchen Formation nur darin bestehen, die staatliche Verwaltungsreform mit ein paar Jahren Verspätung nachzuvollziehen. Der DGB auf der Höhe der Zeit: Wenn die Bürger inzwischen für einfache Behördengänge stundenlange Reisen in die nächste größere Stadt unternehmen müssen, warum sollen sie es zur DGB-Rechtsberatung näher haben?

Die Gewerkschaften sprechen von sich selbst immer als „Bewegung“. Aber das einzige, was sich im DGB bewegt, ist offenbar der Rechenstift. Denn wie anders ist zu erklären, daß in einem dem Diskussionspapier beigefügten Schaubild über die politischen und Organisationsaufgaben des DGB unter der Rubrik Bundesvorstand 28, unter Kreisebene aber nur 4 Aufgabenfelder angekreuzt sind? Dies drückt mehr aus als alle anderslautenden Beteuerungen über die angeblich politisch zu aktivierende Basis: Politik findet in der Düsseldorfer Zentrale statt, alles andere ist „Betreuung“. Alle Diskussionen der letzten Jahre über die Aktivierung der DGB-Ortskartelle, über die Politisierung der regionalen DGB -Gliederungen entlang der sozialen Konflikte vor Ort kann man vergessen, wenn diese Organisitionsreform des DGB zur offiziellen Beschlußlage wird. Es sei denn, daß die Basis sich in Selbstorganisation zunutze macht, daß die hauptamtlichen DGB-Funktionäre sich nach und nach immer mehr nach oben in Richtung Hierarchie verflüchtigen. Die Gewerkschaft, das sind die Mitglieder, heißt es doch immer in den Sonntagsreden.

Martin Kempe