: Hessens „Silberlocke“ im Fettnapf
Landtagsvizepräsident Dr.Erwin Lang (SPD) wohnte jahrelang „im Briefkasten“, um sein Landtagsmandat halten zu können / Verstoß gegen Meldegesetz und Mandatsvorschriften ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt
Frankfurt/Wiesbaden (taz) - Wer sich heute das Volkshandbuch zur 12.Wahlperiode des hessischen Landtages vornimmt, findet dort im biographischen Teil auch den ehemaligen Landtagspräsidenten und heutigen Landtagsvizepräsidenten Dr.Erwin Lang (SPD). Der Multifunktionspolitiker, der die Karriereleiter 1955 als Bürgermeister von Raunheim (Südhessen) bestieg, von 1969 bis 1970 hessischer Minister der Finanzen war und heute neben dem Mandat im hessischen Landtag noch ein Mandat im Kreistag Groß-Gerau wahrnimmt, wird vom Volkshandbuch mit folgender Adresse geführt: Wilhelminenstraße 10, 6096 Raunheim.
Doch wer bei Erwin Lang klingelt, dem wird nicht aufgetan, denn Erwin Lang - der im Landtag als SPD-„Silberlocke“ gehandelt wird - wohnt seit Jahren nicht mehr in Raunheim. Auch wer seine Raunheimer Telefonnummer anwählt, wird den SPD-Spitzenmann nicht an die Strippe kriegen. Noch nicht einmal ein Anrufbeantworter tröstet den enttäuschten Wähler.
Denn wie sich das für einen auf Reputation bedachten Spitzenpolitiker gehört, ist der immer in Maßanzügen steckende Ex-Minister längst in ein angemesseneres Domizil in der Landeshauptstadt entfleucht. Doch im Kreisverband Wiesbaden war damals kein Landtagsmandat für den Berufspolitiker Lang frei. Also zurück nach Raunheim in die Provinz?
Nein! Erwin Lang erinnerte sich an die diversen Briefkastenfirmen in Liechtenstein und gründete selbst eine: Die Briefkastenfirma Dr.Erwin Lang. Und sein Ex-Nachbar, ein netter Pelzhändler, holte - nach Recherchen der Lokalpresse
-die Post für den Ex-Minister täglich aus dem Kasten.
Daß Lang damit gegen das Meldegesetz und gegen die Vorschriften für die Erlangung eines politischen Mandats auf Kreis- und Landtagsebene verstoßen hat, wurde gestern in Wiesbaden als politischer Skandal gehandelt. Daß Dr.Erwin Lang schon öfter knapp daneben lag, verriet er allerdings schon in seiner Promotionsarbeit.
Damals prophezeite er der Raunheimer Caltex-Raffinerie eine Lebensdauer „bis weit über das Jahr 2000 hinaus“. Die Caltex in Raunheim hat schon vor Jahren die Produktion eingestellt.
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