: Mehr als sieben dürre Jahre in Ägypten
... und noch immer kein Wasser in Sicht / Wasserkrise beeinträchtigt Landwirtschaft und Stromversorgung / Kohlekraftwerke und Windturbinen sollen Ägypten von Wasserkraft unabhängiger machen / Abholzung der Regenwälder für Dürre verantwortlich ■ Aus Kairo Kristina Bergmann
Vor wenigen Tagen veröffentlichte die offiziöse ägyptische Tageszeitung 'Al Ahram‘ einen langen Artikel über die Vor und Nachteile von Regengebeten, die wie in Afrika auch in den islamischen Ländern Tradition sind. Während Autor Fahmi Hueidi findet, daß sie an letzter Stelle der notwendigen Maßnahmen zur Behebung von Ägyptens Wasserproblemen stehen, glauben die respektablen Scheichs, daß man sie zu lange vernachlässigt habe. Derselben Meinung scheint das Bewässerungsministerium zu sein, das angeblich ernsthafte Gespräche mit dem Ministerium für religiöse Belange über mögliche Bittgebete geführt hat...
Die Wasserkrise, die sich nach Meinung von Meteorologen, Demo- und Geographen schon seit einigen Jahren durch die schwachen Regenfälle und Dürren in den Nilquell-Ländern angekündigt hat, wird in Ägypten erst seit kurzem öffentlich diskutiert. Zu groß ist der soziale Sprengstoff, der bereits in der vorsichtigen Ankündigung von Energieminister Maher Abaza steckt, daß in diesem Sommer eventuell mit Stromunterbrechungen gerechnet werden müsse. Denn eines der großen Verdienste des 1973 fertiggestellten Assuanstaudamms war der beinahe komplette Anschluß der ländlichen Gegenden an das Stromnetz. Der schwindet nun mehr und mehr dahin. Wenn Kairo auch bisher von Stromausfällen verschont blieb, sind sie in den Dörfern an der Tagesordnung. Während 1978 die zwölf Turbinen 54 Prozent der gesamten Strommenge produzierten, genügt heute der niedere Wasserstand des Assuansees gerade noch zur Produktion von 22 Prozent. Im Sommer dieses Jahres wird der Wasserspiegel auf 151 Meter (über dem Meeresspiegel) fallen und liegt dann noch genau vier Meter über der kritischen Grenze, bei der die Turbinen endgültig abgestellt werden müssen.
Angesichts des drohenden Unheils wollen nun verschiedene europäische Staaten und die USA Kohlekraftwerke mitfinanzieren, die Ägypten unabhängiger von der Wasserkraft machen sollen. Die UNO wird sich mit 1,5 Millionen Dollar an einem ägyptischen Projekt zur Herstellung von Windturbinen und Sonnenkollektoren beteiligen, die bisher nur ein Prozent zur Stromproduktion beitragen.
Was bei der Stromproduktion möglich ist, ist bei der Landwirtschaft nicht so einfach. Ägyptens 2,5 Millionen Hektar Agrarfläche ist fast hundertprozentig von der Bewässerung abhängig. Der über 80jährige ehemalige Bewässerungsminister Zaki Qanawi hat der Regierung Ende letzten Jahres ernsthaft ins Gewissen geredet. Er ist der Meinung, daß jeder Tropfen des kostbaren Nilwassers nur noch für Ägyptens Bewässerung und die Trinkwasserversorgung genutzt werden darf. Tatsächlich ist die Bilanz mehr als beunruhigend: Von den Nilfluten der letzten neun Jahre überstieg nur die von 1981 Ägyptens Wasserverbrauch von 55,5 Milliarden Kubikmetern. Die Reserve aus dem Staudamm, von der man in den übrigen Jahren zehrte, wird in diesem Sommer nur noch sieben Milliarden Kubikmeter betragen. Das bedeutet, daß die jetzt einsetzenden Regenfälle mindestens 48,5 Milliarden Kubikmeter in den Assuansee fließen lassen müssen, um die Wasser- und Stromversorgung 1988/89 zu garantieren.
Bereits seit zwei Jahren hätten üppige Nilfluten die „sieben mageren Jahre“ ablösen sollen. Habib Ayeb, Geograph am französischen Forschungszentrum (CEDEJ) in Kairo meint, daß zum einen Veränderungen im Regenzyklus, zum anderen aber die fast vollständige Abholzung der Regenwälder des äthiopischen Hochplateaus Hauptgrund für den ausbleibenden Regen sind.
In Ägypten hat man sich jahrelang der Illusion hingegeben, daß der Assuandamm absoluten Schutz vor Dürre und Hungersnot gibt, und mögliche Verbesserungen vernachlässigt. Das neue Programm des Bewässerungsministeriums sieht vor allem eine Einsparung beim verschwenderischen Überflutungssystem vor: Durch gezieltere Bewässerungsmethoden könnte gespart werden. Pipelines und Auskleidung der Hauptkanäle könnten Verdunstung und Einsickerung reduzieren. Aber, wie letzthin ein Journalist in 'Al Ahram‘ bemerkte, sind Pläne und Programme und deren Ausführung in Ägypten zweierlei.
Zaki Qanawi schlägt deshalb billigere, einfachere und schneller realisierbare Maßnahmen vor: komplettes Recycling der Abfluß- und Abwässer, Stopp des Anbaus von wasserintensiven Kulturen wie Reis und Zuckerrohr, bessere Pflege der Kanäle, vermehrte Nutzung des Grundwassers und die Rückkehr zur nächtlichen Bewässerung, die seit dem Bau des Assuandammes aufgegeben wurde. Ein wichtiger Punkt wurde bereits durchgeführt: Die jährliche Schließung sämtlicher Schleusen zur Kanalreinigung im Januar wurde von drei auf fünf Wochen verlängert. Es wurde gemunkelt, daß die Schleusen trotzdem ab und an geöffnet wurden, um die pompösen Luxusdampfer, die zwischen Assuan und Luxor pendeln, nicht auf Grund laufen zu lassen. Der Tourismus ist immer noch Ägyptens Devisenquelle Nummer eins...
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen