: Männerdiskriminierung zulässig
Gutachten der IG Metall prüft die Verfassungsrechtlichkeit von Frauenförderung am Arbeitsplatz / Betriebe sollen bis zur Erreichung der Frauenquote keine Männer einstellen /Ungleichbehandlung der Männer nötig ■ Aus Frankfurt Heide Platen
Gestern stellte die IG Metall im Frankfurter Gewerkschaftshaus ein bisher einmaliges Gutachten vor. Auf über 200 Seiten weist die Hamburger Arbeitsrechtlerin Prof.Heide Pfarr nach, daß es „verfassungsrechtlich zulässig“ ist, Arbeitsplätze bevorzugt mit Frauen zu besetzen. Da der derzeitige ungleiche Zustand bei der Verteilung von Arbeit und Einkommen gegen das Grundgesetz verstoße, müßten Stellen bis zur Herstellung einer tatsächlichen Gleichberechtigung ausschließlich mit Frauen besetzt werden. Diese Forderung geht über die bisher als fortschrittlich geltende Stellenausschreibung, „bei gleicher Qualifikation“ werde eine Frau bevorzugt, hinaus. Potentiellen KritikerInnen, die darin eine Männerdiskriminierung sehen könnten, hält die Professorin entgegen, Männer müßten eben eine Zeit lang Einschränkungen ihres subjektiven Rechts auf Nichtdiskriminierung aufgeben, um dem objektiven Recht der Gleichberechtigung zur Geltung zu verhelfen. Die Abwägung beider Rechtsgüter lasse „an das Geschlecht anknüpfende Frauenfördermaßnahmen als grundsätzlich zulässig erscheinen“. Um endlich hier und jetzt, und nicht erst - wie Experten errechneten - in 230 Jahren Gleichbehandlung der Frauen im realen Leben als Rechtsgut zu erreichen, sei eine „rechtliche Ungleichbehandlung“ der Männer nötig: „Da müssen konkrete Männer mal ungleich behandelt werden.“ Es nütze den Frauen nichts, wenn nur, wie bisher, „mal hier, mal da ein bißchen rumgefördert“ werde. Prof.Pfarr könnte sich zum Beispiel eine etwa auf drei Jahre befristete Frauenquotierung bei Unternehmen vorstellen. Sie hofft, daß durch ihr Gutachten „viele verschleiernde Diskussionen“ des Themas endlich „wegzuschieben“ seien.
Gudrun Hamacher, im IG Metall-Vorstand, teilte mit, in der Gewerkschaft werde die Studie nach den Sommerferien diskutiert. Wichtig sei es jetzt vor allem, Zustimmung im eigenen Haus und bei den BetriebsrätInnen zu bekommen. Sie wies darauf hin, daß vor allen Dingen gegen die Lohndiskriminierung von Frauen noch viel getan werden müsse. Ihnen werde immer noch weniger gezahlt als Männern, weil sie z.B. bei „körperlich leichter“ Arbeit angeblich einen niedrigeren Kilokalorienverbrauch hätten.
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