: Aids: Kritische Zwischenbilanz
■ Zahl von 20.000 Infizierten fragwürdig / „Kein massiver Einbruch“ in die heterosexuelle Bevölkerung
Berlin (taz) - In der Diskussion um Aids wird häufig mit falschen Zahlen operiert. Der Leiter des Deutschen Aids -Zentrums in Berlin, Prof.Meinrad Koch, bestätigte jetzt in einem taz-Interview die Fragwürdigkeit der bisher gehandelten Zahlen über HIV-Infizierte in der Bundesrepublik. Koch: „Wir können nicht feststellen, wieviele Doppelt- und Dreifachtestungen (in der Infizierten -Statistik) vorliegen“.
Koch begründete gegenüber der taz, warum nach seiner Ansicht die HIV-Epidemie bisher nicht in großem Ausmaß in die heterosexuelle Bevölkerung eingebrochen sei. Neben der geringen Zahl von HIV-infizierten Blutspenden nennt er hier vor allem den konstant gebliebenen Anteil von infizierten Frauen als Beleg. Unter den bisher 40 Aids-kranken Männern, die angeben, sich über heterosexuelle Kontakte infiziert zu haben, befinde sich ein unbekannter Anteil an schwulen Männern, die „ihre Homosexualität verschweigen“.
Zur Infektiosität des Virus äußerte Koch den Verdacht, daß die Ansteckungsgefahr während der einzelnen Stadien der Infektionskrankheit sehr unterschiedlich sei. Unmittelbar nach der Infektion sowie bei ersten klinischen Befunden sei sie besonders groß.
Was die Therapie angeht, ist Koch zuversichtlich: „Das berühmte Azidothymidin ... hat gezeigt, daß es prinzipiell möglich ist, Aids mit einem Arzneimittel wirksam zu bekämpfen“. Trotz allem Forschungsfortschritt blieben aber viele Fragen offen. Die für Koch wichtigsten: „Wie stellt es das Virus an, daß die Leute krank werden“ und : „Wo findet die Hauptvermehrung des Virus statt?“ Interview Seite 9
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