Leib und Streben

An diesem Wochenende startet die Bundesliga  ■  PRESS-SCHLAG

Heute, da die Fußball-Bundesliga in ihre 26. Saison geht, kann endlich mit einem alten Mythos aufgeräumt werden: Polizisten fristeten ihr Dasein unter höchster Gefahr für Leib und Leben, müßten daher wie moderne Raubritter gepanzert sein, mit Reiz- und Nervengas schmeißen und ab und an zum kleinen präventiven Todesschuß ansetzen. Der neuesten Unfallanalyse verdanken wir die Erkenntnis, daß noch immer die Bergleute den gefährlichsten Job ausüben, mit 145 Unfällen pro 1.000 Arbeiter, hart bedrängt vom Baugewerbe (139). Wen aber trifft es am härtesten im ganzen Land? Ja, ja, wir ahnen es bereits, die Kicker sind's.

Glatte 763 irgenwie Verletzte je 1.000 Vollarbeiter weist die Statistik aus. Und weiter erfahren wir, daß der größte Teil der Wehwehchen auf den rüpeligen Umgang miteinander zurückzuführen ist: 25 Prozent sind Opfer eines Trittes, 13 Prozent rühren vom Zusammenprall her und der Zweikampf schlägt mit 11 Prozent zu Buche. Nahezu zwei Drittel aller Leiden sind Folge der „konsequenten Zweikampfführung“ (DDR -Sprachregelung), der Rest fällt unter die Rubrik Selbstverstümmelung (wie Umknicken).

Kein Wunder, daß sich ob dieser Fakten die Vereine ums knochige und sehnige Kapital sorgen. In den 18 Erstligavereinen werkeln 53 Ärzte, Masseure, Physiotherapeuten und Krankengymnasten an den Leibern der Geplagten. Drei Millionen Mark sind in den Etats dafür vorgesehen. Und als besonders vorbildlich in diesem Bereich gelten die Clubs Werder Bremen und der HSV: Hier können die Notbremsen-Opfer direkt ins angeschlossene Reha-Zentrum überführt werden.

Wie soll angesichts dieses Meeres von Hinkebeinen in die Tat umgesetzt werden, wodurch allerorten die Gesundung der gesamten Branche erhofft wird: „die vielen positiven Impulse“ (DFB- Chef Neuberger) der Europameisterschaft in die neue Saison zu tragen. Ha, was wurde da offensiv und technisch fein gewirbelt, und das Publikum war's zufrieden. Auf diese Art sollten die siechen Zuschauerzahlen aufgepäppelt werden.

Doch nun rückt der Alltag alle Träume wieder zurecht. Horst Köppel beispielweise, Dortmunds neuer Coach, erinnert sich nur mit Grausen an die Erfahrungen mit seinem in Uerdingen propagierten Juhei-Stil: „In den Zeitungen stand zwar, keiner verliert so schön wie Köppel - doch nach fünf Monaten war ich weg.“ Beim derzeitigen Arbeitsplätzemangel hat er seine Lektion schnell gelernt: „Lieber weniger attraktiv und mehr punkten.“

Das also wird es sein, was uns erwartet.

PS: Beim üblichen taz-Meisterschafts-Tip fiel die Wahl diesmal leicht. Bayern oder Werder, das wäre zu simpel. Mit Köln sind wir schon zu oft reingefallen, und Leverkusen will einfach nicht ins Herz. Bleibt der VfB Stuttgart, der im Falle des Mißerfolgs zudem einen eleganten ideologischen Rückzug ermöglicht: dem Mayer-Vorfelder hat man's eh nicht gegönnt.

Thömmes