: Diätentanz
■ Parlaments- und Regierungskrise in Hessen
Der hessische Diätenskandal „mausert“ sich zur Parlaments und Regierungskrise. Eine temporäre Koalition aus MitgliederInnen des konservativen außerparlamentarischen Bundes der Steuerzahler und aus grünen VolksvertreterInnen hat die etablierten Parteien öffentlich vorgeführt und einmalig in der Bundesrepublik - den Rücktritt eines Landtagspräsidenten und eines Vizepräsidenten provoziert.
Ein hilfloser Ministerpräsident Wallmann (CDU) ließ die Abgeordneten seiner Fraktion in eine schier ausweglose Situation treiben. Erst als das Kind in den berühmten Brunnen gefallen war, griff Wallmann ein und verpaßte seinen Christdemokraten medienwirksam eine schallende Ohrfeige. Seine Forderung nach „Einfrieren“ des Bereicherungsgesetzes konterkarierte das Abstimmungsverhalten der CDU-Fraktion in der vergangenen Woche. Daß Wallmann dann noch die Stirn hatte, die von dem Verfassungsrechtler Arnim als verfassungswidrig gerügte Kostenpauschale als „Erhöhungsbedürftig“ zu bezeichnen, ist Beleg dafür, daß in Hessen der Tanz um das goldene Diätenkalb noch nicht beendet ist.
Daß jetzt auch die Sozialdemokraten die Aufhebung des Bereicherungsgesetzes verlangen, zeigt, daß die „geistige Verwirrung“ groß gewesen sein muß, als die gleichen Abgeordneten den gleichlautenden Antrag der Grünen vor genau acht Tagen vom Parlamentstisch stimmten. Jetzt müssen die Abgeordneten aus dem Urlaub zur Sondersitzung nach Wiesbaden eingeflogen werden, damit das Skandalgesetz endlich Geschichte werden kann. Da nun auch noch die bislang nibelungentreue FDP am Tag der Sondersitzung mit SPD und Grünen für die Aufhebung des Bereicherungsgesetzes stimmen wollen, müssen Neuwahlen in Hessen auch keine Utopie mehr bleiben.
Klaus-Peter Klingelschmitt
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