piwik no script img

Zwei O-Beine für 650.000

■ Rührseliges Farewell-Geschenk an einen Torwart ausgegeben Dieter-Burdenski-Abschieds-Spiel war eine verregnete Spielerbörse

Mein erstes Mal war im Frankfurter Waldstadion. Saß da mit meinem obligatorischen DFB-Müller-Milch-Joghurt inmitten eines brätschenden Haufens südländischer giornalisti und beguckte elf Italiener und angemessen viele Dänen, die zu meinen Füßen ganz wunderbaren Fußball spielten. In der Pressekonferenz dann noch Vialli im weißen Flauschbademantel und ein Herr Trainer von erlesener Eleganz. Danach war ich restlos überzeugt, ich sei bestimmt ein Fußballfan.

Das zweite Mal war gestern im Weserstadion und wenig wunderbar. Alle zur Verfügung stehenden 17 Werder-Spieler (ohne Bratseth, Riedle und Reck) spiel

ten in lustigen Elfer-Kombina tionen gegen eine sogenannte Europa-Auswahl, die angeblich zum Zwecke eines Dieter-Burdenski-Abschiedsspieles mühsam zusammengekauft worden war. Herr Burdenski macht jetzt nämlich nur Sportausstatter-Promotion, leitet seine Werbeagentur und spielt mit kleinen Jungs in Grömitz ordentlichen Schul-Fußball. Der Mann hat genug zu tun.

Den eigentlichen Zweck dieser rührseligen Tschüß-Budde -im-Regen-Veranstaltung vor niedlichen 8120 Zuschauern hat die natürlich auch anwesende RTL-Mannschaft schön auf den Bildschirm gebracht. Nach dem Motto Wir-haben-die-Rechte-wir -filmen-alles hat sie das ganze Langeweile-Spiel live übertragen und immer mal wieder den einen oder anderen Euro -Auswahl-Spieler vor die Kamera gelassen. Da durfte dann etwa Briegel, dessen Vertrag mit Sampdoria Genua bereits ausgelaufen ist, seine sommerschlußverkaufmäßige Ablösesumme ins Mikro flöten (zwei O-Beine für nur 650.000 Mark), Cobanec (noch Mannschafts-Kapitän bei Sparta Prag) erklärt, seine Verhandlungen mit Stuttgart seien erstmal am tschechischen Verband gescheitert. Er würde sich aber gern Ende des Jahres an einen finanzkräftigen Bundesliga-Verein verhökert sehen. Los, Jungs, kaufen. Auch Spaßvogel Pfaff, zwar noch mit Bayern-Vertrag, aber ohne Spiel erlaubnis vom Trainer, hätte gern einen neuen Verein, wo er zwischen den Pfosten wieder so rich

tig ulkig sein darf. Und an angemessener Stelle erwähnt RTL noch en passant und kundenfreundlich, Herr Barnes aus Manchester - gerade am Ball - sei ganz umsonst zu haben. Ablöse- frei. Ein rechtes Schnäppchen.

So tummelten sich auf triefnassem Bremer Rasen mehrere gutgelaunte Posten der Ware Fußballspieler. Bloß Basten, Matthäus, Völler und Lerby waren nicht da. Die haben schon einen Verein.

In der 60. Minute wird dann scheinheilig nochmal ordentlich so getan, als ginge es hier tatsächlich darum, einen Torwart zu verabschieden, der 1971 noch in Schalke ausreichend naiv war, um in den Bundesliga-Bestechungsskandal zu schlittern und als Kronzeuge wieder rauszukommen, der im Pech-gehabt -Schatten von Sepp Maier und Toni Schumacher auf nur zwölf Länderspiele gekommen ist, aber immerhin tausend Spiele lang für Werder nach den runden Lederdingern hüpfen durfte.

Rehagel wadenbeißt zum Abschied noch mal stinkfreundlich ins RTL-Mikro, der Budde sei ja noch jung, der könne noch viel lernen im Leben. Der Konflikt mit dem bekannterweise begrenzt widerstandslustigen Keeper (37) sei natürlich beigelegt.

Budde geht jedenfalls in der 60. Minute blumenstrauß- und kleinkinder-umringt vom Platz. Da steht es schon 5:1 für die Bremer. Ganz zum Schluß heißt es 7:2 durch Votava, Burgsmüller, 3 x Meier, Neubarth, Ordenewitz

und Thon, Detari (bereits für 13 Millionen an Olympiakos Piräus verkauft - „Es war ganz super in Frankfurt, aber so ein super Angebot konnte ich nicht ausschlagen.“ Detari sagt gern einmal super für die RTL-Leute).

Auf die Schilderung des genauen Spiel-Hergangs soll an dieser Stelle leserfreundlich verzichtet werden. Alles in allem ein todlangweiliges Heute-spielen-wir-mal-ganz -konkurrenzlos-spaßigen-Fußball-Spiel. Um mich herum trotzdem zahlreiche „Heeerrlich„s und „Schaaade„s und „Ist das nicht schön, wenn es mal um gar nichts geht“. Ich finde das definitiv gar nicht schön. Trotz Becks und Bratwurst. Und Schiedsrichter Heitmann hat auch nicht richtig mitgespielt. Er hat ein Briegel-Handspiel im Strafraum nicht gepfiffen, obwohl Borowka gleich brav hingeflitzt ist, um den Herrn in Schwarz darauf hinzuweisen, daß dies doch eine prächtige Gelegenheit sei, Budde noch zum Torerfolg kommen zu lassen.

Nach dem Spiel (Budde: „Ich habe bei meinem Abschied nichts verdient“, weil nämlich die 140.000 Stadion-Bruttoeinnahmen und die 70.000 Fernseh-und Werbeeinnahmen für Reisespesen, Star-Honorare und Abschiedsgala gleich wieder draufgegangen sind) durften sich 400 geladene Gäste erlesen in den Mittwochmorgen speisen. „Es war eine Riesensause“, sagt Budde. Das ist schön. Tschüß, Budde.

Petra Höfer

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen