: Die ewige Julia Zum Tod der Brigitte Horney
■ S T A N D B I L D
„Mußte das sein, Gnädige Frau?!“ fragte Goebbels (der Krieg war schon voll im Gange), und der Filmstar muß doch wohl dem Propagandaverbrecher die passende Antwort gegeben haben, denn: prompt war Funkstille. Im Telefonhörer? Nein, im Deutschen Filmgeschäft - für die Horney! Was war geschehen? Die Künstlerin hatte sich erlaubt, einen russischen Kameramann zu heiraten. Irmentschet hieß er. Mußte das sein? Jawohl! Andere ließen sich in diesen Zeiten von ihren jüdischen Ehepartnern scheiden. Rühmann z.B. Ob nun auf Drängen von oben oder nicht, spielt doch eigentlich keine Rolle. „Mischehen“, wie daß in Original-Reichston hieß, die also vor 1933 geschlossen worden waren, wurden, wenn man sich unauffällig, sprich: angepaßt, verhielt, in Ruhe gelassen. (Aber auch nur bis zu einem gewissen Zeitpunkt.) Karriere machen konnte man allerdings mit so einem „Nichtarischen Klotz am Bein“ nicht. Der Theaterstar Joachim Gottschalk z.B. wählte mit seiner jüdischen Frau und seinem kleinen Sohn den Freitod. Man fand die Familie bei aufgedrehtem Gashahn in der Küche ihrer Wohnung. Die Gestapo kam zu spät. (Zwecks Abholung!) Zu spät kam auch Brigitte Horney! Sie war für den Kollegen nach Zürich geflogen, um dort am Schauspielhaus ein Engagement zu ermöglichen. Drei Filme hatte sie mit Gottschalk gedreht. Sie selbst, immer eine Nonkonformistin, riet dem Freund, auf die Scheidungsforderung einzugehen, damit Frau und Kind unversehrt ins Ausland reisen dürften; (wie es Goebbels garantierte). Gottschalk widerstand! Gustav Knuth riet ebenfalls, auf Goebbels brutalen Vorschlag einzugehen, um noch brutalere Folgen zu vermeiden. Gottschalk widerstand! Erst danach entschloß sich die Horney zum kollegialen Hilfs -trip nach Zürich. Die Verstrickung in jene Familientragödie, aber eben auch die Heirat mit einem Russen und vielleicht auch nichtopportune Bekanntschaften und Freundschaften (z.B. mit Erich Kästner, der am Küchentisch der Horney, in der Kaiserstraße in Babelsberg, das Drehbuch für „Münchhausen“ geschrieben hat), mögen dazu beigetragen haben, den Namen Brigitte Horney auf die Nichtbeschäftigungsliste zu setzen. (Kästner hat das Drehbuch übrigens unter Pseudonym und mit „inoffiziösem“ Okay des Propagandademagogen geschrieben. (Münchhausen war aber auch die letzte Filmarbeit der Horney wärend des Faschismus.) Die Frau, die von 1934 bis 1942 in zwanzig Filmen mit Disziplin, Präzision, aber eben auch besonderem Einfühlungsvermögen, in verschiedensten Charakteren brillierte, floh 1945 über Salzburg in die Schweiz. 1945 berichtete die New York Times: „Brigitte Horney ist tot!“ Die Zeitung hat sich um 43 Jahre verrechnet. Brigitte, die Tochter der berühmten Psycho-Therapeutin Karen Horney, sollte noch viele interessante Wege beschreiten. Einer davon führte in die Theaterwelt, aus der sie einst gekommen war, zurück. 1930 als Max-Reinhard-Preisträgerin lehnte sie einen lukrativen UFA-Exklusivvertrag zunächst ab, weil sie in Würzburg im festen Engagement ihre wichtigere Aufgabe sah. „Der Film kann warten!“, sagte sie. Er holte dann aber doch sehr schnell die Theaterschauspielerin ein und machte aus ihr einen Filmstar. 1934 hieß ihr erster Spielfilm ausgerechnet „Abschied“. Am 7.3. 1946 spielte sie in Zürich, nun als reife Schauspielerin, in der Uraufführung von Max Frisch: „Veracruz“ und 1949 in Frischs „Als der Krieg zu Ende war“. Sie heiratete in zweiter Ehe den Bostoner Museumsdirektor Prof. Hanns Swarzenski; begeisterte sich immer mehr für die moderne Kunst; pendelte zwischen Amerika und Deutschland und verstärkte nach dem Tod des Ehemannes 1985 ihre TV-Aktivitäten. In der Serie „Jakob und Adele“, einer wilden Rentner-Ehe, spielten die Horney und der Schroth das, was wir uns alle noch im hohen Alter erträumen: Ewig Liebende. Adjö, Julia. Adee - Adele!
Ilja Richter
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen