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Grüne fragen nach Nazi-Kunst

■ Während fast alle Spiel- und Propaganda-Filme der NS-Zeit im Fernsehen und Kino gezeigt wurden, verschwand die Bildende Kunst in den Archiven / Anfrage an die Bundesregierung

Bonn (ap) - Eine umfassende Debatte über den „Umgang mit der sogenannten entarteten und mit der sogenannten schönen Kunst“ in der Bundesrepublik wollen die Grünen im Bundestag erreichen. In dieser Absicht haben sie eine „Große Anfrage“ an die Bundesregierung gerichtet, in der unter anderem nach dem Verbleib von NS-Kunst in Depots geforscht wird. Die Fragen richten sich vor allem an Bundesinnenminister Friedrich Zimmermann (CSU), der innerhalb der Bundesregierung für Kunst und Kultur zuständig ist.

„Einen Kampf zwischen moderner avantgardistischer Kunst auf der einen und etablierter repräsentativer Kunst auf der anderen Seite hat es schon lange vor dem Dritten Reich gegeben“, heißt es in der in Bonn veröffentlichten Parlamentsanfrage, die von der Abgeordneten Antje Vollmer und weiteren Fraktionsmitgliedern eingebracht wurde.

Sie erinnern, daß nach 1945 die damalige moderne Kunst „vom Stigma der Entartung befreit“, öffentlich rehabilitiert und ausgestellt worden sei. „Die NS-Kunst als die ehemals schöne Kunst wanderte in die Keller der Archive. Die Folge hiervon ist heute eine tiefgreifende ästhetische Unsicherheit im Umgang mit der NS-Kunst. Unsicherheit insofern, weil fraglich ist, ob mit der politischen Verurteilung dieser Kunst als faschistischer Staatskunst deren ästhetische Verbannung aus den öffentlichen Museen hinreichend begründet werden kann und soll“, heißt es.

Die Frage, ob Kunst aus der Zeit des Nationalsozialismus heute in den Museen ausgestellt werden soll, habe 1987 zu einer heftigen Kontroverse zwischen dem Kunsthistoriker und Museumsstifter Peter Ludwig und dem Graphiker Klaus Staeck geführt, wird erinnert. Es sei an der Zeit, daß die Bundesregierung sich in diesen die Öffentlichkeit interessierenden Disput einschalte.

Die Forderung der Grünen nach öffentlicher Präsentation von NS-Kunst solle „nicht der Rehabilitierung, sondern der Entdämonisierung“ dienen, wird betont. Eine Frage des 38 Punkte umfassenden Kataloges lautet: „Ist die Bundesregierung mit uns der Meinung, daß die grundgesetzlich garantierte Kunstfreiheit als auch unser demokratisches Selbstbewußtsein es gebieten, die öffentliche Debatte über die NS-Kunst zu führen?“ Im Gegensatz zur Bildenden NS-Kunst seien in den letzten Jahren „fast alle im Dritten Reich entstandenen Spiel- und Propagandafilme“ im Kino und im Fernsehen gezeigt worden. „Wie steht die Bundesregierung zu diesem Widerspruch?“

Klare Auskunft fordern die Grünen, was mit den über 8.000 von der „War-Art-Collection“ der Vereinigten Staaten zurückgegebenen Exponaten geschieht, die seit Jahren im Armeemuseum in Ingolstadt lagern. Ferner wird nach 600 Gemälden im Depot der Finanzdirektion in München gefragt.

„Ist die Bundesregierung dazu bereit, einer öffentlichen Präsentation der bisher zurückgehaltenen Exponate zuzustimmen? Die Regierung soll antworten, ob sie die Ansicht teile, daß der Handel mit Kunstwerken aus der Zeit des Nationalsozialismus auf dem freien Markt unterbunden werde müsse und statt dessen der Ankauf von NS-Realien der völkischen, nationalen und nationalistischen Bewegung und deren geeignete Präsentation in Ausstellungen und Museen zu den Kulturaufgaben des Bundes gehören muß“.

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