Täter oder Opfer?

■ Was ist Wahrheit, wenn 'BZ‘ und 'Bild‘ sich widersprechen?

„Die 1.000-Mark-Lüge eines Mannes stürzt Mädchen ins Unglück“, titelte die 'BZ‘ gestern auf Seite Eins. In der 'Bild'-Zeitung steht die gleiche Geschichte - mit einem Unterschied: dort ist die 20jährige Libanesin Z. die Täterin und der 81jährige R. das Opfer.

Was wirklich passiert ist, bleibt im Dunkeln, weil die Frau schweigt. Unzweifelhaft scheint nur eines: Der alleinlebende Mann hatte die Frau in seine Wohnung eingeladen, wo man Alkoholisches trank. Gegen zwei Uhr morgens habe R. entdeckt, daß ihm 1.000 Mark fehlten und wollte seine Söhne zu Hilfe rufen.

„Die dunkelhaarige Frau riß schnell das Kabel aus der Wand. Da rannte der Mann aus der Wohnung, schloß ab. Die Frau flehte: „Laß mich doch raus!“, schreibt die 'BZ‘: „Doch der Mann klingelte bei Nachbarn, rief die Polizei. Als er zurückkehrte, lag die Frau in einer Blutlache unter dem Fenster - sie wollte an der Hauswand herunterklettern, stürzte ab. Später kam die Kripo in die Wohnung. Der 81jährige griff jäh in seine Kleidung - und fand dort den Umschlag mit den 1.000 Mark...“

Bei 'Bild‘ hört sich alles anders an: „'Das Luder wollte mich betrunken machen.‘ Opa Richard schnalzt mit der Zunge: 'Natürlich gab es auch kleine Spielerchen.‘ Plötzlich bemerkte er, daß sein Briefumschlag mit 1.000 Mark Wirtschaftsgeld weg war. Jetzt war von Liebe keine Rede mehr. Als die schöne Z. das Geld nicht mehr rausrückte, griff Opa Richard zum Telefon, wollte seine Söhne um Hilfe bitten - ging nicht, die schöne Z. hatte das Telefonkabel aus der Wand gerissen. Der nächste Schachzug klappte. Opa Richard schloß sie in seiner Wohnung ein, alarmierte die Polizei. In der Zwischenzeit versuchte Z. zu türmen, hangelte sich aus dem Fenster - und stürzte ab. Als sie verletzt auf dem Bürgersteig lag, holte sich Opa Richard sein Wirtschaftsgeld wieder und sprach: 'Von Damenbesuch hab ick jetzt die Neese voll‘.“

Hier steht Aussage gegen (Nicht)-Aussage. Denn die Frau liegt im Krankenhaus und wurde noch nicht vernommen, ist bei der Kripo zu erfahren. Dort ist man mit dem 'BZ'-Bericht dennoch nicht einverstanden. „Der Mann hat nicht gelogen, auch wenn er sich geirrt habe“, erläutert Herr Brehmer. Durch die falsche 'BZ'-Überschrift werde das Opfer „diffamiert“. Denn „Opa Richard“ will seine 1.000 Mark aus der Handtasche der Frau genommen haben, als sie verletzt auf der Straße lag, und dann in seine Unterhose gesteckt haben. Das sei durch R.s Aufregung falsch bei der 'BZ‘ angekommen, meint die Kripo: „Die Gesamtumstände sprechen gegen das Mädchen.“ Daß sie das Telefonkabel rausgerissen habe, sei ein „Hinweis, daß sie keine reine Weste habe“. Gleiches gelte fürs Abseilen: „Das spricht gegen sie, weil sie das Risiko auf sich nahm.“

Ob und und unter welchen Umständen es zu sexuellen Handlungen kam, ist ungeklärt. Daß sie eventuell Angst vor den anrückenden Söhnen, möglicherweise als ausländische Frau auch vor der Polizei gehabt habe? Dafür gäbe es keinen Anhaltspunkt, sagt die Kripo. Außerdem: Die Familie sei der Polizei „hinreichend bekannt“.

gn