: Wegen RAF-Büchern im Knast
■ 129a-Verfahren gegen Niederländer eingeleitet/Beschuldigter soll im Besitz von 90 Exemplaren "Widerstand heißt Angriff" gewesen sein/Zusammenarbeit von niederländischem und deutschen Verfassungsschutz
129a-Verfahren gegen Niederländer eingeleitet /
Beschuldigter soll im Besitz von 90 Exemplaren „Widerstand heißt Angriff“ gewesen sein / Zusammenarbeit von
niederländischem und deutschem Verfassungsschutz
Amsterdam/Berlin (taz) - In Lüneburg muß sich ein Niederländer wegen des Verdachts auf Unterstützung der RAF vor Gericht verantworten. Der 36jährige A. aus Groningen war am 25. Mai als Reisender des Linienbusses Amsterdam-Berlin festgenommen worden. Seither sitzt er in Untersuchungshaft. Ihm wird vorgeworfen, die Rote Armee Fraktion (RAF) unterstützt zu haben. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft hat A. versucht, 9O Exemplare des Buches „Widerstand heißt Angriff“ vom Druckort Amsterdam nach West-Berlin zu schaffen. A. war am Grenzübergang Helmstedt festgenommen und beschuldigt worden, der Besitzer von zwei Koffern zu sein, in denen sich die 9O Bücher befanden. Das Buch ist in holländischen Buchhandlungen erhältlich - in der Bundesrepublik ist der Besitz von mehreren Exemplaren strafbar. Es enthält eine Textsammlung mit Beiträgen zur Geschichte der „RAF“, Grundsatzpapieren und Bekennerschreiben. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofes ist es geeignet, „ein Gefühl der Gemeinsamkeit der Kampfstellung gegenüber einem gemeinsamen Gegner ... zu erzeugen“. Deshalb stelle der Tatbeitrag des Niederländers „einen meßbaren Nutzen für diese terroristische Vereinigung dar“. Gegen A. ist ein 129a-Verfahren (Unterstützung einer terroristischen Vereinigung) eingeleitet werden. A. bestreitet, Besitzer der Koffer zu sein.
Es wird vermutet, daß ein Hinweis des niederländischen Verfassungsschutzes „binnenlands veiligheids dienst“ (bvd) zur Verhaftung von A. geführt hat. Die Tatsache, daß jetzt auch der bvd in den Niederlanden in Sachen A. ermittelt, spricht ebenfalls für eine Zusammenarbeit von niederländischen und deutschen Behörden.
Dazu äußerte sich in Amsterdam der Vorsitzende des parlamentarischen Justizausschusses Aad Kosto: „Holland sollte keine Mitarbeit bei der Verurteilung eigener Bürger im Ausland leisten. Und schon gar nicht in Sachen, die hier bei uns nicht strafbar sind, wie der Besitz von Büchern.“
A.s bundesdeutscher Anwalt Dieter Adler hat bisher noch keinen Haftprüfungstermin beantragt, da ihm die Behörden den Einblick in die Akten verweigern. Im Lüneburger Untersuchungsgefängnis gelten für A. verschärfte Haftbedingungen.
Geert Lovink/Kir
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