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Sudanhilfe nur für Araber

■ Katastrophenhelfer kritisieren Benachteiligung der christlichen und animistischen Kriegsflüchtlinge aus dem Südsudan / Trinkwasserpreise seit Beginn der Überschwemmungskatastrophe verzehnfacht

Khartum (dpa/upi/afp/taz) - Heftige Kritik ist an der Verteilungspraxis der Katastrophenhilfe für den Sudan geübt worden. In der ersten Woche nach der Flutkatastrophe vom 4.August kam der Löwenanteil der Hilfslieferungen für den Sudan aus arabischen „Bruderstaaten“. Araber waren es auch, die bisher an erster Stelle von den internationalen Hilfeleistungen profitierten. „Von Anfang an war das Vorgehen der Regierung so angelegt, daß die ersten Hilfslieferungen aus dem Ausland in die Wohngebiete der Nordsudanesen gelangen sollten“, so ein leitender Mitarbeiter der Katastrophenhilfe. Im Zentrum Khartums wohnen überwiegend arabisch sprechende Moslems. Von den bisherigen Überschwemmungen am härtesten betroffen sind aber die Bewohner der Elendssiedlungen um Khartum die meisten Flüchtlinge christlichen und animistischen Glaubens aus Südsudan. Sie flüchteten vor Dürre und den seit fünf Jahren erneut entbrannten Kämpfen zwischen sudanesischer Armee und der Sudanesischen Volksbefreiungsarmee (SPLA). Erklärtes politisches Ziel der SPLA ist ein Machtwechsel in Khartum, wo die fundamentalistische Fraktion seit der Regierungsumbildung im Mai Auftrieb bekommen hat und die Anwedung der Sharia-Gesetze in ihrer striktesten Auslegung in diesem Monat erneut beschlossen wurde. Damit kommen auch die drakonischen Strafen wie Handamputationen bei Diebstahl wieder zur Anwendung. Die Forderung der von Äthiopien unterstützten Befreiungsarmee nach einem unabhängigen südsudanesischen Staat ist zwar auch innerhalb der eigenen Reihen umstritten, einig sind sich die Südsudanesen indessen in der Ablehnung der von der Khartumer Regierung betriebenen Arabisierungspolitik.

Zwei Millionen von insgesamt sechs Millionen Südsudanesen leben als Flüchtlinge im eigenen Land. Sie gelten nicht als Flüchtlinge im internationalen Sinne, und folglich ist auch UNHCR, die UN-Flüchtlingsbehörde, nicht für sie zuständig.

Der Flüchtlingsstrom hat in den letzten beiden Jahren zugenommen, vor allem, seit auch bewaffnete Banden und Stammesmilizen sich in den Bürgerkrieg einmischen. Per Schiff kamen allein vergangene Woche aus dem Süden 11.000 Menschen. Sie hausen in schäbigen, von der Regierung als illegal deklarierten Siedlungen. Seuchengefahr drohte dort auch schon vor der Überschwemmung, denn den schätzungsweise 700.000 Südsudanesen war es untersagt, Brunnen anzulegen. Seit Beginn der Überschwemmungskatastrophe haben sich die Trinkwasserpreise verzehnfacht. Die Slumbewohner sind deshalb vielfach genötigt, das Wasser aus den nach den Überschwemmungen zurückgebliebenen großen Pfützen zu trinken, die wegen der Überflutung der Latrinengruben mit Exkrementen verseucht sind. Fortsetzung auf Seite 6

Ein Mitarbeiter des Roten Halbmondes, Araf Ahmed Jahja, sagte, die 23 Krankenhäuser seiner Organisation hätten täglich 150 Fälle von Diarrhö und anderen Darmerkrankungen gemeldet. Die Jungen und Schwachen stürben an Wassermangel, sagte Jahja.

Den vier Millionen Einwohnern der Hauptstadt Khartum steht nach den verheerenden Regenfällen der letzten Tage die größte Katastrophe noch bevor. Wie die ägyptische Nachrichtenagtentur MENA meldete, hat nun auch das jährliche Hochwasser am Weißen und Blauen Nil begonnen, an deren Zusammenfluß die Hauptstadt liegt. Die Behörden wollen mit Unterstützung von Freiwilligen versuchen, mit Sandsäcken Deiche gegen die Fluten des Stroms zu errichten. Bei den ersten Überschwemmungen vom 4. und 5. August waren nach amtlichen Angaben bereits 167.000 Häuser zerstört worden und 58 Menschen ums Leben gekommen.

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