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INTIM!

■ Interview mit Max Müller, Sänger und Gitarrist der Gruppe „Mutter“ aus Berlin

Die Gruppe „Mutter“ gibt es seit 1986. Sie besteht aus Kerl Fieser (Baß), Florian Körner von Gustorf (Schlagzeug), Frank Behnke (E-Gitarre) und Max Müller (Gesang). Konzerte in Berlin, West-Deutschland und Holland; keine Tonträgerveröffentlichungen. „Mutter“ „schämt sich, Gedanken zu haben, die andere Menschen in ihrer Würde verletzen.“

taz: Eure Band heißt „Mutter“. Wie heißt deine richtige Mutter, und hat sie mit „Mutter“ was zu tun?

Max Müller: Edith Müller. Sie hat nichts mit „Mutter“ zu tun.

Ist „Mutter“ vielleicht eine Art Mutterersatz?

Nee, der Name „Mutter“ ist nur rein zufällig gewählt. Er hat nichts mit meiner Mutter oder sonst irgendeiner anderen Mutter zu tun. Er ist griffig und provoziert und wurde aus rein werbetechnischen Gründen gewählt.

Vater klingt nicht so gut?

Darüber möchte ich nicht reden.

Dann hat die Mutter doch irgendeine Bedeutung?

Jajaja, irgendeine Bedeutung. „Wolfgang“ hat auch eine Bedeutung. Wir hätten sie auch „Wolfgang“ nennen können, oder?

Ja, „Wolfgang“ heißt ja ursprünglich, der, der wie ein Wolf kriegerisch durch die Gänge schleicht...

Ach nein, wie interessant. Hätten wir das früher gewußt, hätten wir uns vielleicht „Wolfgang“ genannt.

Oder Edith, wie deine Mutter?

Oder Ursula, wie Floris Mutter oder Christa, wie Franks Mutter oder Gabi, wie Kerls Mutter.

Ihr lebt ja alle in einer Art Kommune, so eine Musikerkommune. Gibt es da nicht Konflikte, kommt es da nicht zu Reibereien und künstlerischen Differenzen untereinander?

In der Tat. Ich danke dir dafür, daß du dieses Thema ansprichst. Nehmen wir zum Beispiel die Küche. Tagtäglich zwischen leeren Milchtüten, Bierflaschen, Kaffeesatz und Taufliegen zu frühstücken und dann noch zu fünft in diesem engen Raum, das hat die Band zusammengeschweißt.

Klingt ja toll kaputt. Ich könnte mir vorstellen, daß die Küche doch ab und zu geleert und gesäubert werden müßte, da man sonst gar nicht mehr durch die Tür käme. Wer macht das dann?

Der, dem das zuviel ist. Ich bin in dieser Hinsicht ziemlich resistent... ach, dabei fällt mir ein, daß wir im Winter '87 für 20 Mark Stundenlohn einen Freak engagiert haben, der sich auf total verdreckte Wohngemeinschaften spezialisiert hat, die er dann reinigt. Als Gratisbonbon zeigte er uns anschließend selbstaufgenommene Videos von sich, in denen er mit Wandergitarre sich selbst vocal begleitet... Moment, das Beste habe ich fast vergessen. Hinterher hat er aus uns unerfindlichen Gründen die Mülltonne im Hof angezündet. Wie du dir vorstellen kannst, hat das einige Aufregung bei uns gegeben... Aber bitte frag‘ doch weiter!

Wieviel Stunden hat er geputzt?

Fünf bis sechs.

Das macht 100 bis 120 Mark. Wo habt ihr das Geld für einen eigenen Putzmann her?

Nächste Frage bitte.

Wie steht ihr denn zur Berliner Musikszene? Habt ihr gute Kontakte?

Ein einziger schleimiger Scheißhaufen'von sich selbst überschätzenden, buckelnden opportunistischen Möchtegern -Rockstars, die nichts auslassen, um ein anerkennendes Wort von der Rock-Senatsjury oder sonst irgendjemanden zu kriegen... Nimm doch nur solche FDP-Bands wie die Rainbirds. Jedes Jahr wechselt die Spitze des Eisbergs.. äh... der nichtssagenden, nichtswollenden Aufstreber, und ein Ende ist nicht abzusehen. Früher waren das meinetwegen die „Goldenen Vampire“, „La Loora“ usw. usf., die mit ihren aufdringlichen Werbekampagnen ein Bedürfnis zu wecken versucht haben, das gar nicht bestanden hat. Man ging so lange davon aus, daß wenigstens die Journalisten sich dafür interessierten, bis man merkte, daß die Bandmitglieder und Journalisten ein und dieselben Personen waren. Ich sag‘ das ja nicht, weil ich den Leuten nicht gönne, Erfolg zu haben, im Gegenteil: Um so schneller sie dort landen, wo sie hingehören, desto besser.

Wie großzügig.

Nein, ganz ernsthaft. Einer der Gründe, weshalb ich Musik mache, ist, daß ich Musik wirklich liebe.

Interview: Wolfgang Müller

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