Anklage gegen WAA-Bruchpiloten

Bei Verfolgung eines WAA-Gegners war 1986 ein Hubschrauber mit einem Schienenbus kollidiert / Verdacht der fahrlässigen Tötung und Körperverletzung / Verfassungsschutzbericht macht WAA-Gegner verantwortlich  ■  Aus Nürnberg Bernd Siegler

Der Absturz eines Polizeihubschraubers bei der Verfolgung eines WAA-Gegners am 7.September 1986 wird ein gerichtliches Nachspiel haben. Nach zweijähriger Ermittlung hat die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Amberg Anklage gegen den Piloten des Helikopters erhoben. Bei dem Zusammenstoß zwischen dem Hubschrauber und einem Schienenbus waren sechs Personen verletzt worden, ein Kriminalbeamter erlag zwei Wochen später seinen schweren Brandwunden.

Unmittelbar nach dem spektakulären Unglück an der direkt am WAA-Gelände vorbeiführenden Bahnlinie Schwandorf-Furth im Wald entzündete sich eine heftige Diskussion über Sinn und Unsinn von Hubschraubereinsätzen gegen vermeintliche militante WAA-GegnerInnen. Während das Innenministerium derartige Einsätze zur Strafverfolgung befürwortete, erinnerte „die Verfolgung von Menschen in Tiefflug“ den SPD -Sicherheitsexperten Paul Gantzer an „Hitchcock-Filme oder Einsätze in Vietnam“.

Der normalerweise in Neubiberg bei München stationierte Hubschrauber „Edelweiß 2“ war am 7.September 1986 von der Schwandorfer Polizeieinsatzleitung zum WAA-Baugelände beordert worden, um dort aus der Luft kleinere, von WAA -GegnerInnen gelegte Brände zu löschen. Der damaligen Polizeiversion zufolge soll der Hubschrauber dabei von einem Punker mit Steinen und Flaschen beworfen worden sein und hätte daraufhin die Verfolgung eingeleitet. Beim Versuch, drei Beamte auf dem Bahnkörper aussteigen zu lassen, soll der Hubschrauber von dem Schienenbus auf dem geraden, gut überschaubaren Streckenabschnitt gerammt worden sein.

Unter Berufung auf Zeugenaussagen widersprach das Anti-WAA -Büro in Schwandorf dieser Version. Kein einziger Stein soll gegen den Hubschrauber am WAA-Bauzaun geflogen sein. Als fast eine Stunde später ein Punker vor zwei an der Bahnlinie stationierten Streifenwagen die Flucht ergriffen hatte, hätte der Hubschrauber im Tiefflug die Verfolgung über die Bahngeleise aufgenommen und dabei wahrscheinlich den Schienenbus übersehen.

Wenige Tage nach dem Unglück korrigierte die Polizei ihre erste Version und bestätigte, daß der Hubschrauber sich zum Zeitpunkt des Zusammenstoßes im Niedrigflug befunden hätte. Polizeipräsident Fenzl gab zu, daß der Hubschrauber auf ausdrückliche Weisung des Polizeiführungsstabes Schwandorf den Punker verfolgt hätte. Den Schienenbusführer hätte an dem Unglück jedoch keinerlei Schuld getroffen. Auf Anfrage bestätigte jetzt Justizpressesprecher Guerrein vom Oberlandesgericht in Nürnberg, daß gegen den Zugführer zu keiner Zeit ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden ist.

Die jetzt erhobene Anklage gegen den Helikopterpiloten wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung, der fahrlässigen Körperverletzung in mehreren Fällen und des fahrlässigen Eingriffs in den Bahnverkehr müsse, so Guerrein, erst noch zum Hauptverfahren vor dem Schöffengericht in Schwandorf zugelassen werden. Dann wird der genaue Hergang des Unfalls zur Sprache kommen müssen. Für das Innenministerium ist bereits alles klar. Im bayerischen Verfassungschutzbericht 1986 werden die WAA -GegnerInnen in direkten Zusammenhang mit dem Tod des Polizisten gebracht. „Ein Beamter hat bei einem Hubschraubereinsatz, der durch einen Angriff militanter Kernkraftgegner ausgelöst worden war, den Tod gefunden“, heißt es in der der Rubrik „Politisch motivierte Gewaltaktionen“.