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Immer Ärger mit dem Bremer Flughafen

■ Kleine Chronik des „Neuenlander Feldes“: Die ersten Fluglärmgegner protestierten schon 1910 / Monströse Parallel-Startbahn 1973 begraben /Anfang der 70er und der 80er Jahre waren die Proteste am heftigsten

Das erste Flugverbot gab es schon, als der Flughafen Bremen noch gar kein richtiger war: Offiziell erhielt der „Bremer Verein für Luftfahrt“ erst 1913, vor 75 Jahren, die Genehmigung, auf dem damaligen Exerzierplatz einen „Flugstützpunkt“ zu errichten. Doch schon im Mai 1910 sorgten einige Bauern im Neuenlander Feld dafür, daß eine senatorische Fluggenehmigung wieder zurückgezogen wurde, weil sich die Bauern beklagt hatten, daß ihre Kühe weniger Milch gäben. Im gleichen Jahr waren dort die ersten vier Flugzeugschuppen

aufgestellt worden.

Das Flugverbot wurde vom Senat schnell wieder rückgängig gemacht. Dann sorgte jedoch der Erste Weltkrieg für ein jähes Ende des Lärms. Vorwärts ging es wieder 1919, als die Bremer Nationalversammlung den Bau eines richtigen Flughafens beschloß. Kurz darauf, den kriegsbedingten Aufschwung der Fliegerei vor Augen, gründeten bremische Großindustrielle direkt neben dem Flughafen die Focke-Wulf -Flugzeugbau AG, ein Urahn des jetztigen MBB-Werkes, und schon 1927 begann die Arbeit

an Aufträgen der Reichswehr.

In den 20er Jahren war das Neuenlander Feld voll in das damalige zivile Luftverkehrsnetz eingebunden - für den nächsten Einbruch sorgten Weltwirtschaftskrise und die Nazis. Denn die vom Reichsluftfahrt-Ministerium subventionierte „Luft Hansa“ richtete ihr Augenmerk auf die wirtschaftlichen Großstrecken. Bis 1937 führte der Flughafen ein Dornröschendasein - dann erwies sich die kriegswichtige Focke-Wulf AG als nützlich: Der Flughafen wurde zum „Luftbahnhof“, erhielt eine neue Abflug- und Ankunftshalle und vor allem ein modernes Startbahnsystem mit vier Bahnen und modernsten techni

schen Betriebseinrichtungen.

1939 wurde er von den Militärs beschlagnahmt - und was die Alliierten mit ihren Bomben nicht schafften, die vor allem auf die Flugzeugwerke gerichtet waren, besorgte die Wehrmacht zuletzt selbst: Sie sprengte die Start- und Landebahn in die Luft. 1949 ging der Flughafen von den US -Militärs wieder in deutsche Hände über, die Haupt-Start und Landebahn wurde noch im gleichen Jahr auf 2034 Meter verlängert.

Der Ärger blieb dem Flughafen erhalten - schon 1960 wies das Bundesverkehrsministerium den Senat an, das „Luftfahrt -Hindernis Ochtum mit Deich“ zu beseitigen. Jahrelang verhandelten die Behörden der norddeutschen

Bundesländer über den Bau eines gemeinsamen interkontinentalen Flughafens. Dann sorgte der Plan für eine 2.500 Meter lange zweite Start- und Landebahn in Bremen für so viel Wirbel, daß er ganz schnell wieder zu den Akten gelegt wurde.

Zwar hatte der Senat auf erheblichen Druck aus der Bevölkerung 1973 formell beschlossen, im Unterweserraum keinen Großflughafen zu errichten, doch weitergebaut wurde kräftig. Die neue Abflughalle ging 1979 in Betrieb, und Gebäude, die in der Einflugschneise aufragten, wurden gekappt. 1979 war zugleich ein Rekordjahr - rund 720.000 Passagiere flogen ab oder nach Bremen. Die nächste Krise folgte

bald: als die Charterflieger Düsseldorf zum Schwerpunktflughafen machten. Erst 1985 wurde die Passagierzahl von '79 wieder erreicht.

In den frühen 80er Jahren waren die Proteste gegen den Flughafen und seinen Ausbau vermutlich am breitesten. Nicht nur lärmgeplagte AnwohnerInnen und UmweltschützerInnen protestierten - als an der Startbahn West in Frankfurt zugunsten der US-Armee die Bäume fielen, entdeckte auch die Antikriegs-und Friedensbewegung das Neuenlander Feld und dessen militärische Bedeutung. „So muß es zum Zwecke der Kontrolle der amerikanischen Einflußspähre im Nahen Osten und in der Dritten Welt im Notfalle möglich sein, große Mengen an Soldaten und militärischem Material in kürzester Zeit über den Atlantik nach Europa und weiter in die Krisengebiete zu schaffen“, heißt es in einem gefälschten Flugblatt des Verkehrssenators, das sogar in den Jubiläums -Bildband Eingang fand - mit Gegendarstellung, versteht sich. Die jüngste Welle der Empörung, die Verlängerung der Startbahn zugunsten der MBB-Superguppies ist zugleich die am schnellsten verebbte - kaum ein halbes Jahr verging zwischen dem Bekanntwerden der Pläne und dem Senatsbeschluß zum Baubeginn.

Verwendete Literatur: Siegfried Spörer, „Bremen und sein Airport“. Verlag Saade, Bremen 1988, 144 Seiten, 39 Mark 80. „Luft- und Raumfahrt in Bremen“, Jahrbuch 1988 der Wittheit zu Bremen. „Flughafen-Ausbau ist Kriegsvorbereitung“, Hrsg.: Krieg dem Krieg Neustadt (1982). „Der Kaiser ging, der Führer ging, die Waffenschmieden blieben“, Hrsg.: Uni -„Arbeitsgruppe Abrüstung“ (1984).

mc

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