: Jedem Menschen recht getan...
■ ...ist eine Kunst, die niemand kaahn. Auch die Breminale nicht. Darum haben zwei Kontrahenten das Für und Wider dieses Kulturspektakels erwogen: Mit upper-cuts, Schwingern und knapp am Knockout vorbei
In fünf Tagen und Nächten besuchten drei Weserstadion -Füllungen die diesjährige Breminale auf den Osterdeichwiesen. Eine ganze Menge also. Wie Uli Pollkläsener, Mitorganisator des Kulturfestivals, erklärte, seien damit auch die Finanzen ungefähr ausgeglichen. Die Einnahmen deckten also die Ausgaben.Die „Nahtstelle von Wasser, Wiese und Stadt“ hätte sich als günstig erwiesen, wenngleich der Trend seiner Meinung nach mehr und mehr zu festen Spielstätten ginge. Doch, so schränkte er ein, das Zeltfestival mit seiner besonderen Atmosphäre müsse unbedingt erhalten bleiben. Sorgen für die Zukunft bereiten die ABM-Kräfte, deren Verträge bald auslaufen, sowie die inhaltliche Konzeption. Denn ob im nächsten Jahr, anders als 1988, „spezifische Gesellschaftsschichten“ angesprochen werden sollen, steht noch in den Sternen.
Professionelle Kulturbearbeiter haben die 88er Breminale natürlich schon längst analysiert und
zerredet. Manchmal mit recht unfeinen Schlägen unter die Gürtellinie, aber immer engagiert. Ein Zeichner und ein Filmkritiker waren dabei wohl am lautesten zu vernehmen. Für den Karikaturisten war die ganze Breminale zunächst einmal ein großes Generationsproblem. „Schau Dir doch die Szene der späten achtziger Jahre an. Das können die doch heute nicht mehr so aufziehen wie früher, das sind doch alles ABMler jenseits der dreißig“, holte er zum ersten Wischer auf das linke Ohr des Kino-Kritikers aus. „Die wähnen sich doch alle in dem Glauben, sie seien noch jung.“ Dann die Gerade mitten auf die Nase. „Sieh‘ Dich an, Du hast auch keine Lust mehr auf anspruchslose Kultur auf Strohmatten.“ Die andere Seite riß die Arme schützend vors Gesicht. „Was heißt hier anspruchslos? Die Independent-Musiker mußten sich schon verkriechen, die haben selbst was auf die Beine gestellt. Und qualitativ war eine
ganze Menge zu holen, wenn man genauer ins Programm geguckt hat. Die Tanz-Theater-Veranstaltungen und die meisten Filme und die modernen Kammermusiker ....“. Schon nahte der nächste giftige Schwinger. „Ich rede hier über falsch verstandene Alternativ-Kunst“. Der Zeichner schien aufgebracht. „Die Innenstadt in Volkes Mund bleibt dem Kommerz vorbehalten. Warum strebt die Breminale-Kultur nicht in die City, macht Bremen zu einer richtigen Kulturstadt? Klar, daß so etwas Geld kostet, aber wo bekommst Du Qualität umsonst?“ Der kritische Kritiker schnappte nach Luft. Der Hauer saß. „Du spinnst wohl, Bremer Kultur zwischen Hauptpost und Karstadt? Sollen wir uns gemütlich auf Steinen und Beton niederlassen und afrikanischen Trommlern neben der Deutschen Bank zuhören? So ein Kulturfest hat eine angenehmere Atmosphäre verdient. Rasen und Wasser sind da genau richtig.“ „Ich will gar nicht, daß
die Weserwiesen verlassen werden, begreif‘ das doch. Die sollen nur frei werden für etwas anderes, angemesseneres. Eine Off-Breminale gehört genau dahin, und die Arrivierten sollen sich gefälligst in Richtung Marktplatz bewegen, wo sie und ihre Klientel hingehören.“ Rumms, wieder auf die Zwölf. Aber nun der upper-cut zurück. „Du glaubst doch nicht im Ernst, daß Du mit einer gut gemeinten Dezentralisierung die Einheit eines fünftägigen Festes beibehalten kannst. Du willst die Breminale auseinanderreißen und die Verbleiber am Osterdeich ghettoisieren. Hier die Etablierten und da hinten, wo nicht mal ein Bus langfährt, die Freaks und underdog-Künstler.“ Als Antwort eine trockene Links-Rechts -Kombination. „Von mir aus könnten sie das ganze Stadtfest ersatzlos streichen. So ein dulles Sauf- und Freßgelage, wo sich die Cloppenburger und Syker gegenseitig auf die Füße latschen, kann mir gestohlen bleiben. Ich will
eine ehrliche Gesamtkonzeption, wo sich nicht irgendwelche Anfang-Vierziger anmaßen, Kultur von unten für Achtzehnjährige zu machen. Da macht so eine Weser -Renaissance-Fassade gar nichts, wenn ein paar Musiker auf dem Marktplatz spielen. In Siena oder Florenz geht das auch.“ „Das kriegst Du nur auf die Reihe, wenn da alle Beteiligten mitziehen,“ kam die Entgegnung mit locker hängender Deckung. „Ich will Bremer Kultur von Bremern. Da kannst Du mir zehnmal mit Generationskonflikten kommen. Lieber überschaubar und als kleine Leistungsschau der lokalen Künstler, als so ein aufgeblasenes anonymes Massenereignis. Das 88er Programm war auf dem richtigen Weg.“ Der Zeichner ließ einfach nicht locker. „Bei guten Künstlerkontakten bekommst Du gute Kunst, auch in der Innenstadt. Bei Bratwurstkontakten kriegst Du nur gute Bratwürste.“ „Du verstehst mich nicht.“
Jürgen Francke
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