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Le Pen setzt kritischen Kameraden vor die Tür

Politbüromitglied der Front National, Fran?ois Bachelot, wegen kritischer Anmerkungen zu Le Pens „Durafour crematoire„-Polemik rausgeschmissen / Le Pen hatte die Abtreibungspraxis in Frankreich mit dem nationalsozialistischen Holocaust verglichen  ■  Aus Paris Beate Seel

24 Stunden, nachdem das Politbüromitglied der rechtsextremen Front National (FN) Fran?ois Bachelot es gewagt hatte, auf einer Pressekonferenz in Marseille seinen Parteivorsitzenden Jean-Marie Le Pen zu kritisieren, war er Amt und Würden los. In einer Sondersitzung wurde Bachelot ohne viel Federlesens ausgeschlossen und die Mitgliedschaft eines weiteren prominenten Mitglieds, Pascal Arrighi, ausgesetzt. Lediglich die Abgeordnete der FN im Parlament, Yann Piat, die ebenfalls nach der „Affaire Durafour-crematoire“ kritische Worte für Le Pen gefunden hatte, entging dem eisernen Besen. Offenbar will sich die Partei nicht ihrer einzigen parlamentarischen Stimme berauben.

In einem Kommunique wurde den Gemaßregelten vorgeworfen, gegen Le Pen eine wahre „Lynchkampagne“ in den Medien angezettelt zu haben. Zu den Äußerungen Le Pens selbst four crematoire heißt zu deutsch Verbrennungsofen, eine eindeutige Anspielung auf die nationalsozialistischen Gaskammern - fand das Politbüro Worte der Rechtfertigung: Die FN möchte die „Aufmerksamkeit der Franzosen, die so sensibel für Verbrennungsöfen im Universum der Konzentrationslager sind, auf die Tatsache lenken, daß es in Krankenhäusern solche Öfen gibt, in denen jeden Tag gemäß den Tugenden der 'Gesetze Veil und Roudy‘ die Leichen von Hunderten von Kindern, lebendig aus den Körpern ihrer Mütter gerissen, verbrannt werden“. Das Gesetz über die Fristenlösung, das unter dem Namen „Loi Veil“ bekannt ist, hat Le Pen widerholt dazu inspiriert, die ehemalige Gesundheitsministerin Simone Veil als die „unbefleckte Verhütung“ zu bezeichnen. Der in dem offiziellen Kommunique der FN gezogene Vergleich zwischen den nationalsozialistischen Gaskammern und dem Gesetz über die Abtreibung zeigt, daß die Äußerungen Le Pens über „Minister Durafour-crematoire“ oder die Konzentrationslager als ein „Detail“ der Geschichte des Zweiten Weltkriegs vor einem Jahr keineswegs individuelle „Ausrutscher“ sind. Den Chef der FN tangiert die ganze Affäre, die seit dem Wochenende zum innenpolitischen Thema Nummer eins geworden ist, sowieso nicht besonders. „In acht Tagen wird man nicht mehr von dieser lächerlichen Angelegenheit reden“, hatte Le Pen am Samstag prophezeit. Wie die Wahlergebnisse im Frühjahr, als die Front National in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen fast 15 Prozent der Stimmen erhielt, zeigen, könnte er damit leider recht haben.

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