: Deutschlandpolitik-betr.: "Mechtersheimers Zweideutigkeit", tazv om 22.8.88
Betr.: „Mechtersheimers Zweideutigkeit“,
taz vom 22.08.88
(...)Die Idee von A. Mechtersheimer, über den Einsatz der Bundeswehr und der Nationalen Volksarmee innerhalb der UNO -Friedenstruppen nachzudenken, mit der „latenten Identitätskrise“ deutscher Militärs und der Befürwortung des Einsatzes der Bundesmarine im Golfkrieg gleichzustellen, läßt in aller „Zweideutigkeit“ erkennen, daß Herr Hartung A. Mechtersheimer reaktionäre Ziele unterstellen will.
Um diese von Herrn Hartung bei A. Mechtersheimer vermutete Gesinnung zu belegen, genügt es nicht, die Frage aufzuwerfen, ob Mechtersheimer „ein deutsch-nationaler Grüner oder ein grüner Deutsch-Nationaler“ ist.
Die Grünen-Forderung „Raus aus der NATO“ wirft in der Tat die Frage auf, wo die BRD politisch, wirtschaftlich und militärisch dann stehen soll. Mit einer derartigen Forderung die Westintegration festigen zu wollen, ist der reinste Humbug. Nicht umsonst versuchen gerade die Alt-68er RealpolitikerInnen bei den Grünen, die Forderung zu „Raus aus der NATO“ zu kippen, zugunsten einer Westintegration zur Verhinderung des wiederkehrenden deutschen Faschismus.
Die Frage ist, was läßt sich verhindern, wenn ich aus Angst vor einem wiederaufkeimenden Faschismus nicht in der Lage bin, eine eigenständige Deutschlandpolitik zu diskutieren und umzusetzen. Daß diese Deutschlandpolitik nicht die bestehenden Grenzen Europas, einschließlich der Existenz zweier deutscher Staaten, in Frage stellt, versteht sich von selbst.
Daß diese Deutschlandpolitik militärische Abrüstung und Blockneutralität beinhalten muß, versteht sich aus den berechtigten Interessen, nicht nur der europäischen, Nachbarstaaten. (...) Dabei läßt es sich nicht verleugnen, daß Veränderungen in der BRD die Situation in der DDR nicht unberührt lassen. Nicht umsonst halten die Siegermächte des 2.Weltkriegs an ihren besonderen Rechten betreffs „Deutschland als Ganzes“ fest. Hier muß „linke“ Politik ansetzen und verständliche Zielvorstellungen aufzeigen.
Initiativkreis Friedensvertrag Gesamteuropäische Friedensordnung, Hannover
Hartung schreibt über Mechtersheimers Zielvorstellung: „Selbstverständlich soll es ein grünes Gesamtdeutschland sein.“ Zweifel kommen da auf. Mechtersheimer führt „Versailles“ nicht nur zufällig im Mund, wenn er „Jalta“ meint.
Bereits 1983 berichteten bürgerliche Autoren wie W. v Bredow über ideologische Bezüge zwischen Deutschlandbewegten am Rande der Friedensbewegung und Neofaschisten, die unisono Begriffe wie „Besatzer“ und „Mangel an Souveränität“, „Bruderkrieg unter Deutschen“ (...) und Konzepte wie „Konföderation“, „Wiedervereinigung“, „Neuvereinigung“ zu einem „blockfreien Deutschland“ in die Friedensdebatte einzubringen versuchten. Mitte der 80er Jahre gelang es der überparteilichen Bonner „Initiative Gemeinsam gegen Neofaschismus“, breite personelle Konakte zwischen solchen „Friedens„-Grüppchen, in denen auch Mechtersheimer mitmischte, und Neofaschisten nachzuweisen. Die Ergebnisse unserer Recherchen wurden mehrfach in Zeitschriften veröffentlicht, leider nicht in der taz.
Die Veröffentlichungen über diese Beziehungen wurden in ihren Hauptpunkten niemals bestritten, im Gegenteil: oft wurde versucht, die Neofaschisten, mit denen man zusammenarbeitete, reinzuwaschen; gelegentlich ging es auch nach dem Motto: „Das haben wir nicht gewußt!“
Hier nur ein paar Punkte, die sich aus den von uns gesammelten Originaldokumenten ergeben: 1985 erschien in Mechtersheimers Institut eine „Denkschrift Friedensvertrag, Deutsche Konföderation, Europäisches Sicherheitssystem“, zu der Mechtersheimer ein Vorwort schrieb. Der Koautor, Theodor Schweisfurth, nominell SPD-Mitglied, hatte bereits 1984 den auf Betreiben des rechtsextremen „Nation Europa„-Autors Wolfgang Strauss entstandenen Aufruf „Den Frieden retten Deutschland vereinen!“ unterzeichnet - gemeinsam mit einer Schar von Neofaschisten. 1986 ließ er sich u.a. mit dem Nationalisten-Professor Bernhards Willms, dem südtiroler Neofaschisten Günter Pahl und dem Republikaner Emil Schlee zum „Norddeutschen Forum“ einladen, das vom „Bund Heimattreuer Jugend“ veranstaltet wurde und im Verfassungsschutzbericht Erwähnung fand. Trotz antifaschistischer Proteste bei dieser Veranstaltung erschien auch Schweisfurths Beitrag wenig später im Forums -Reader, und zwar im neofaschistischen Arndt-Verlag. (...)
Denkschrift Koautor Herbert Ammon hatte sich bereits 1985 in einem „Initiativkreis Friedensvertrag“ u.a. mit Gerhard Josewski getroffen; der war (...) im „Collegium Humanum“ in Vlotho engagiert, das der NRW-Verfassungsschutzbericht 1984 wegen eines dortigen Treffens des Michael-Kühnen-„Komitees zur Vorbereitung der Feierlichkeiten zum 100.Geburtstag Adolf Hitlers“ und wegen der zeitweiligen Beschäftigung eines hohen FAP-Funktionärs erwähnte.
Ebenfalls Mitautorenschaft an der bei Mechtersheimer erschienenen Denkschrift macht der Nationalrevolutionär Rolf Stolz geltend, Führer eines „Initiativkeises Linke Deutschland-Diskussion“, an dessen Spitze auch ein ehemaliges Mitglied der „Jungen Nationaldemokaten“ stand. (..)
Mit solchen Autoren nicht genug. Zu den namentlich dort aufgeführten Unterzeichnern der Denkschrift zählen neben einigen inzwischen verstorbenen naiven Linksprominenten auch ehemalige Mitglieder der Jungen Nationaldemokraten, Anhänger der NSDAP-Strasser-Brüder, Nationalrevoluitonäre oder auch der rechtsextreme Sektenprediger Hubertus Mynarek, (...). Schließlich bürgt hier für die Kontinuität zwischen der Agitation gegen „Versailles“ und der gegen „Jalta“ der Publizist Wolf Schenke, wie die anderen bei fast allen dieser Aufrufe und Initiativkreise mit dabei. Er war früher in der Reichsleitung der Hitlerjugend, dann beim 'Völkischen Beobachter‘, nach 1945 in zahlreichen neofaschistisch -neutralistischen Grüppchen aktiv.
Mechtersheimer (...) schreibt (im Vorwort, d. Red): „Diese Denkschrift formt das nationale Aufbegehren in ein Friedenskonzept für Mitteleuropa.“ Ist das zum Lachen oder zum Schämen?
Mechtersheimers bisher einzige Veröffentlichung auf das Bekanntwerden dieser auch personellen Querverbindungen war seine demonstrative Unterschrift unter eine Zeitungsanzeige, die diese Gruppen in der 'Kommune‘ plazierten, (...). In dieser Anzeige heißt es gegen uns Bonner Antifaschisten gerichtet, alle diese von Rechtsextremisten mitgetragenen Initiativen hätten „selbstverständlich im Spektrum der Friedensbewegung ihren Platz„; die Kritik der Bonner an solchen Aktionsbündnissen sei „Diffamierung“.
Zu alldem paßt es gut, wenn Mechtersheimer jetzt in der taz den deutschen Faschismus zum „irrealen historischen Trauma“ erklärt, das als geschichtliches Kapitel „abgeschlossen“ sei (Hallo Nolte!). Es paßt zu Mechtersheimer, aber leider nicht zur politischen Wirklichkeit.
Peter Kratz, Bonn
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