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Störfaktor Superstürmer

Werder Bremens 0:3-Debakel gegen Dynamo Berlin trotz Burgsmüllers Genialität und Schönbeinigkeit  ■  PRESS-SCHLAG

Meine Superstürmer“, dachte sich Otto Rehhagel vor dem Spiel und tat es nach dem Spiel kund, „meine Superstürmer sind nicht in Form“. Also schickte er den norwegischen Neuling Vegard Skogheim auf den Platz, er solle „Störfaktor sein“. Das gelang augenblicklich - bei den Journalisten: Der Name Skogheim löste gleich einige Verwirrung aus. Wer weiß was über den, wo kommt der her, Trondheim oder wo? Warum er spielte, war leichter nachzuvollziehen: Einmal wegen der formlosen Superstürmer, andererseits wegen der formvollendeten deutschen Schäferhunde. Die hatten vergangenen Samstag Heimspiel im Weserstadion, darum fiel das Spiel gegen Dortmund aus, darum spielte Werder freundschaftshalber in Madrid, setzte Skogheim ein, der traf das Tor, und machte Rehhagel übermütig. Die Dynamo -Mannschaft konnte Skogheim wenig stören. Als er nach 57Minuten aus 0,5 Metern exakt die Hacke des Monteurs Rudwaleit im Ostlertor statt des riesigen Gehäuses traf, ließ Rehhagel endlich einen anderen Störer kommen: den, so Ostberlins Stadionzeitung, „schlitzohrigen, zumeist als Einwechsler fungierenden 38jährigen (!) Burgsmüller“.

Und der fungierte, mit der ganzen Erfahrung eines Kick -Greises, einfach genial. Kein einziger Fehlpaß, kein Foul, keinerlei Störung werderscher Sturmbemühungen. Technisch perfekt sein Mittelanstoß nach dem 0:2, ebenso wie der nach dem 0:3. Burgsmüllers erste und einzige Ballberührung während des laufenden Spiels ereignete sich in der 81. Minute, als er die schönsten Beine der Bundesliga per direktem Kurzpaß in einen Konterversuch der Seinen zu integrieren verstand. Erfolgsquote bei drei Ballkontakten in 33 Minuten also satte 100 Prozent. Nur Zyniker werden einwenden können, während Burgsmüllers Auftritt hätten selbst die Eckfahnen mehr Ballberührungen gehabt.

An Burgsmüller lag es also nicht. Das 0:3 erlaubten andere: der Herr Reck im Tor („Der greift ja nach den Bällen wie ein Mädchen“, so geschlechtskennerisch ein Agentur-Korrespondent auf der Tribüne), der fehlpaßsichere Herr Sauer, der angebliche Nationalspieler Herr Borowka, und auch der lahme Herr Kutzop, wehend blond als letzter Netzer der Liga, der zwar selbst Kopfbälle anzuschneiden vermag, aber immer häufiger im Laufduell als zweiter Sieger abschneidet.

Was Werder fehlte, war ein Mann wie Andreas Thom, laut Stadionzeitung „Sportstudent, Mitglied der SED, verlobt, eine Tochter, 36 Länderspiele“. Und: der traf ins Tor ebenso wie der Genosse Monteur Doll und der Genosse Gasmonteur Pastor, und war hauptverantwortlich für das „kreuzgefährliche Konterspiel“, das sein Trainer und offensichtlich Nicht-Monteur Bogs hernach entdeckte. Otto Rehhagel trauerte dagegen: „Meine Jungs sind zu spät aufgewacht.“ Hatte im Prachtpalast Grand Hotel den Jungs niemand den Wecker gestellt? Betagte Herren, so die Lebenserfahrung, brauchen weniger Schlaf. Rehhagels Alt-Jung Burgsmüller bestätigte dies eindrucksvoll - befand beeindruckt Worte-Monteur

Bernd Müllender.

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